BGH-Urteil

Druck auf Banken wächst

Geldinstitute müssen möglicherweise mehr als nur Kontoführungsgebühren zurückzahlen. Wie kommen Kunden an ihr Geld?

24.09.2021

Von THOMAS VEITINGER

Die Innenstadt von Frankfurt am Main mit dem Bankenviertel. Foto: Uli Deck/dpa

Die Innenstadt von Frankfurt am Main mit dem Bankenviertel. Foto: Uli Deck/dpa

Ulm. Ob ihr recht habt oder nicht, sagt euch gleich das Licht“, hieß es einmal in einer Kinder-Fernsehshow. Wenn es nur immer so einfach wäre. Die Frage etwa, wieviel Geld Banken ihren Kunden zurückzahlen müssen, liegt noch immer im Dunkeln. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom April müssen Geldinstitute bei Änderungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine ausdrückliche Zustimmung der Kunden einholen. Eine ausbleibende Reaktion als „Ja“ zu werten, entspricht laut BGH nicht geltendem Recht. Aber inwiefern wirkt sich dieses Urteil auf bereits bezahlte Gebühren aus und wie weit reicht dies zurück?

Vor allem: Vielleicht geht es dabei nicht nur um Kontoführungsgebühren. Für Jürgen Fuchs ist das zu kurz gegriffen. „Wohl aus Gründen der Schadensbegrenzung wird das BGH-Urteil allein unter Kontoführungsgebühren kommuniziert“, sagt der ehemalige Vizepräsident des Landgerichts. Damit solle nach seiner Meinung von anderen Gebühren etwa für Depots, Überweisungen oder Daueraufträgen abgelenkt werden.

Ist das Problem für die Geldinstitute noch viel größer, bringt es sie möglicherweise in finanzielle Bedrängnis. Das Online-Portal Biallo kommt auf Kunden-Ansprüche von bis zu 10 Milliarden Euro. Bei der Deutschen Bank wurde schon Geld für Rückzahlungen an Kunden zurückgestellt. Vereinzelt überweisen Institute bereits Bankgebühren zurück oder haben dies angekündigt.

Können Kunden tatsächlich weitaus mehr Geld als bisher gedacht von ihren Banken einfordern? Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht dies so. „Betroffen sind auch Gebühren für Bausparverträge oder Riester-Sparpläne.“ Also alle Vorgänge, bei denen die Banken in einem ausgebliebenen Widerspruch eine Zustimmung sahen – die sogenannte Zustimmungsfiktion. Dies könnten Gebühren sein, aber auch die Umstellung auf Girokontenmodelle oder Nutzungsbedingungen für Onlinebanking. Nauhauser: „Das BGH-Urteil ist eine Erdrutschentscheidung.“

Der Deutsche Sparkassen und Giroverband (DSGV) in Berlin ist anderer Meinung. Die Zustimmungsfiktion sei „absolut üblich“, heißt es in einer Stellungnahme. „Da bei langlaufenden Verträgen immer wieder Anpassungen notwendig werden, diente das Verfahren dazu, den Aufwand für beide Vertragsparteien gering zu halten.“ Der BGH habe auch kein Wort zur Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung oder gar zu Rückforderungsansprüchen von Kunden verloren, heißt es vom DSGV. Es sei also kein „Gebührenurteil“.

Die Sparda-Bank Baden-Württemberg hat dem Juristen Fuchs ebenfalls eine Absage erteilt: „Aus unserer Sicht sind die Gebühren für die Ausführung von Sepa-Überweisungen kein Bestandteil des Urteils und werden daher nicht erstattet“, steht in einem Brief der Bank.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) spricht in einer Antwort auf ein Anschreiben Fuchs davon, dass Kreditinstitute in der Vergangenheit „auf der Grundlage dieses nunmehr unwirksamen Mechanismus'“ Preise und Entgelte angepasst hätten: „Diese Preisanpassungen sind daher ebenfalls als unwirksam zu bewerten“, heißt es von der Bafin. Allerdings könne die Bundesanstalt keine individuellen Ansprüche einzelner Kunden durchsetzen. Dies sei Aufgabe der Gerichte.

Genau dazu könnte es kommen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband bereitet eine Musterfeststellungsklage vor, die eine weitere Frage klären soll: „Wie lange können Verbraucher rückwirkend Kontoentgelte zurückfordern? Während Banken von maximal drei Jahren ausgehen, sehen Verbraucherschützer den Zeitraum von zehn Jahren betroffen. „Das kommt ganz auf bisherige Gerichtsurteile an“, sagt Nauhauser. Möglicherweise wird dabei auch die Frage beantwortet, welche Gebühren betroffen sind.

Geraten Banken bei Milliardenerstattungen in finanzielle Schieflage? Für den Verbraucherschützer wird „nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird“. Nur ein Bruchteil der Bankkunden hätten bislang von dem BGH-Urteil überhaupt etwas mitbekommen. Und von denen wiederum dürfte sich nur ein Teil um Rückzahlung bemühen und noch ein kleinerer einen juristischen Weg einschlagen. „Für 50 Euro machen sich viele nicht die Mühe“, sagt Nauhauser. Der DSGV berichtet: „Stand heute sind solche Rückforderungen die absolute Ausnahme.“