Gericht

Doping aus Liebe zum Sport

Die Ausführungen des Erfurter Mediziners Mark S. lassen die Beobachter staunend zurück. Neue Namen von beteiligten Athleten nennt er nicht.

30.09.2020

Von DPA/SID

Der Angeklagte Mark S. (rechts) mit seinem Anwalt Juri Goldstein beim Prozess in München. Foto: Peter Kneffel/dpa

Der Angeklagte Mark S. (rechts) mit seinem Anwalt Juri Goldstein beim Prozess in München. Foto: Peter Kneffel/dpa

Mark S hantiert an Maschinen herum, hält Beutel und Schläuche in die Höhe und erklärt genau, wie so eine Blutaufbereitung funktioniert. Nach einem umfangreichen Geständnis über jahrelange Dopingvergehen soll der Erfurter Arzt nun auch zeigen, wie die Geräte zu bedienen sind. Also stellt sich Mark S. in die Mitte des Saals 270 des Münchner Justizpalastes und zeigt dem Landgericht, welche Knöpfe und Regler zu betätigen sind. Die Handgriffe sitzen, auch in eineinhalb Jahren Untersuchungshaft scheint er nichts vergessen zu haben.

Am fünften Verhandlungstag verlas Juri Goldstein, einer der Verteidiger von Mark S., eine Erklärung mit dem Geständnis. Demnach hat der Arzt seit 2012 zahlreiche Sportler betreut. Alle, die auf neue Namen gewartet hatten, wurden aber enttäuscht. Es ging nur um bereits bekannte Doping-Sünder, Nachfragen des Gerichts beantwortete der Mediziner nicht. Dem 42-Jährigen waren bei seiner Aussage vor allem um zwei Dinge wichtig: Er habe mit den Doping-Geschäften kein Geld verdient und keine Athleten gesundheitlich gefährdet.

„Ich habe mit Doping keinen Gewinn erzielt“, sagte der Arzt. Von den Athleten habe Mark S. normalerweise pro Saison 5000 Euro als Grundbetrag für die medizinische Betreuung erhalten – sogenannte intensivere Maßnahmen kosteten mehr, bei Erfolgen der Athleten gab es ebenfalls einen Aufschlag. Er habe aber auch hohe Ausgaben gehabt, etwa für das Spezial-Equipment zur Blutaufbereitung oder die Reise- und Hotelkosten.

Sechs dieser Geräte, die großteils bei einer Razzia am 27. Februar 2019 in Erfurt sichergestellt wurden, bauten Gerichtshelfer dann im Saal auf. Mark?S. erklärte, was mit welcher Maschine getan wird. Wie ein Blutschlauch verschweißt wird, führte er gleich vor. Die übrigen Maschinen dienen der Aufbereitung des Blutes, etwa zur Trennung von Blutplasma und roten Blutkörperchen.

Riskante Methoden

Mark?S. wollte beweisen, dass er medizinisch verantwortungsvoll gehandelt habe. „Mir war immer wichtig, dass den Sportlern kein gesundheitlicher Schaden zugefügt wird“, beteuerte er. Er habe nämlich von teils abenteuerlichen und riskanten Dopingmethoden erfahren. Vehement widersprach er einem Anklagepunkt der Staatsanwaltschaft, wonach er einer Mountainbikerin ein gefährliches Präparat verabreicht habe. Er habe der Österreicherin gesagt, dass er selbst keine Tests mit dem Mittel durchgeführt habe. In diesem Fall geht es um gefährliche Körperverletzung.

Neben diesem Anklagepunkt treffen laut Goldstein auch gut ein Dutzend weitere der fast 150 Einzelfall-Vorwürfe nicht zu: Mal sei er Mark?S. beim Dopen selbst nicht dabei gewesen, mal habe er Blut nur entnommen, aber nicht wieder injiziert.

Mark S. bestätigte auch, dass er seine mitangeklagten Helfer damit beauftragt hatte, Sportlern an diversen Orten Blut abzunehmen und zuzuführen. Sein mitangeklagter Vater hatte ausrichten lassen, von den Machenschaften seines Sohnes gewusst zu haben. „Besonders leid tut mir, dass ich meinen Vater in die Vorgänge reingezogen habe“, sagte Mark S.

Der Mediziner stritt nochmals ab, als Teamarzt in die Dopingfälle bei den Radrennställe Gerolsteiner und Milram von 2007 bis 2010 verwickelt gewesen zu sein. „Warum ich mich danach entschloss, Eigenblutdoping anzuwenden, das kann ich nicht sagen. Die Faszination und die Liebe zum Sport waren die Antriebswelle für diese Entscheidung“, ließ er verlesen.

Im größten deutschen Doping-Prozess seit Jahren wird ein Urteil kurz vor Weihnachten erwartet. Die Ermittlungen zu „Operation Aderlass“ hatten im Januar 2019 nach Aussagen des Skilangläufers Johannes Dürr begonnen – der Österreicher soll am Mittwoch in München vor Gericht aussagen. dpa/sid

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Erstellt:
30.09.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 43sec
zuletzt aktualisiert: 30.09.2020, 06:00 Uhr

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