Tübingen · Hölderlinturm
Wiedereröffnung: Die Linien der Lebenshälfte
Das beste Exponat ist der Turm selbst: Das Tübinger Wahrzeichen ist mit einer neuen fabelhaften Ausstellung ausgestattet und von diesem Wochenende an auch wieder öffentlich zugänglich.
Denn der Hölderlinturm orientiert sich, wie es moderne Museumskonzepte machen, stärker an einer zeitgemäßen Vermittlung anstelle des oft drögen Präsentierens original erscheinender er Dokumente. Weniger Papier, mehr sinnliches Erfahren und Erfassen – da erscheint die Dauerausstellung, nach immerhin 35 Jahren, in nun hellerem, fokussierendem Licht.
Das zeigt sich gleich zu Beginn. Als erste Station nach dem Eingangstresen, linkerhand des alten Zugangs am Neckarzwingel, stößt man auf eine Bretterwand. Auf den Holzschindeln sind die berühmten Zeilen „An Zimmern“ in mehreren Sprachen zu lesen, von den verschiedenen Linien des Lebens, die der verwirrte Dichter hier in der Werkstatt des Pflege-Patrons und Schreinermeisters Ernst Zimmer auf eine Holzschindel gekrakelt haben soll. Wer dazu den Hörrohrschlauch zur Hand nimmt und die andere auf eine Impulsfläche legt, bekommt das Pochen der gesprochenen Metrik zu spüren.
Der Hölderlinturm ist wieder offen
Von 1807 bis zu seinem Tod 1843 verbrachte der Dichter Friedrich Hölderlin die zweite Hälfte seines Lebens im Hölderlinturm in Tübingen. Deshalb ist das markante Gebäude am Neckar ein wichtiger literarischer Erinnerungsort. Am Freitag bekam die Presse einen Einblick, ab Montag, 17. Februar 2020, ist der Hölderlinturm nach einer umfangreicher Sanierung und Neukonzeption wieder regulär geöffnet. Der Eintritt ist frei.
© ST
Wählen Sie eines
unserer Angebote.
Nutzen Sie Ihr
bestehendes Abonnement.
Benötigen Sie Hilfe? Haben Sie Fragen zu Ihrem Abonnement oder wollen Sie uns Ihre Anregungen mitteilen? Kontaktieren Sie uns!
E-Mail an vertrieb@tagblatt.de oder
Telefon +49 7071 934-222
Jener Tisch aus Lindauer Privatbesitz, der zuletzt 2015 auf der Marbacher Ausstellung „Der Wert des Originals“ zu bestaunen war, an den Hölderlin haltsuchend und taktschlagend Hand angelegt haben soll, ist zwar derzeit nur als annähernd originalgetreue Nachbildung zu sehen. Doch spätestens hier, an einem Endpunkt der Schau im oberen Turmschauraum, ist die Originalitätssucht, falls vorhanden, längst verflogen.
Pfiffig auch das Sprachlabor, in dem dann vermutlich ein überwiegend jüngeres Publikum in DJ-Manier am Soundboard durch Hölderlinsche Gedichtschlieren switcht. Es geht, sagt Schmid, um „metrische Sensibilisierung“, also auch um Sprach-Gefühl. Das droht abhanden zu kommen. Zumal Hölderlin kaum mehr in Stundenplänen auftaucht.
Gelegenheit, die Grundlinien der neuen Dauerausstellung im Hölderlinturm kennenzulernen, bietet ein Kuratorengespräch am morgigen Sonntag um 11 Uhr im Ratssaal im Rathaus am Markt. Im Anschluss ist der Hölderlinturm erstmals wieder von 12.30 bis 17 Uhr öffentlich und bei freiem Eintritt zugänglich. Reguläre Öffnungszeiten täglich außer dienstags 11 bis 17 Uhr, mittwochs bis 19 Uhr.