Kleines Kästle, große Wirkung

Dußlinger Tunnel-Blitzer immer noch nicht scharf

Der Blitzer im B 27-Tunnel ist eine wahre Wundermaschine: Voller Respekt bremsen viele Autofahrer seit Monaten vor ihm ab – dabei ist er noch immer nicht scharf.

19.07.2019

Von Eike Freese

Zumindest der Placebo-Effekt scheint bei vielen Fahrern schon einmal Wirkung zu zeigen: Autos bei Tempo 70 direkt am Blitzgerät im Dußlinger B27-Tunnel (rechts neben dem hellen Golf sieht man den recht konventionell aussehenden Automaten). Bild: Eike Freese

Zumindest der Placebo-Effekt scheint bei vielen Fahrern schon einmal Wirkung zu zeigen: Autos bei Tempo 70 direkt am Blitzgerät im Dußlinger B 27-Tunnel (rechts neben dem hellen Golf sieht man den recht konventionell aussehenden Automaten). Bild: Eike Freese

Wer sich derzeit aus Richtung Tübingen dem B 27-Tunnel in Dußlingen nähert, bekommt einen guten Eindruck davon, was für einen Mordsrespekt viele Autofahrer vor diesem ominösen neuen Gerät haben, das seit ein paar Monaten im Tunnel hängt. Weitaus mehr Wagen als früher bremsen deutlich unter das erlaubte Tempo 80 ab, bevor sie in den Tunnel einfahren. Dieser etwas sagenumwobene Kasten, der seine Fotos angeblich aufnimmt, ohne dass all die Fahrer es merken, ist immer mal wieder Gesprächsthema im Steinlachtal. Schwarzlicht-Blitzer, Infrarot-Blitzer, Röntgen-Blitzer: Man hört so einiges.

Das Dumme ist nur: Die Maschine, die dort seit dem Frühjahr hängt, ist gar nicht scharf geschaltet. Sie war es auch noch nie. Noch immer nämlich wartet die Entwickler-Firma Jenoptik Robot aus Monheim am Rhein auf die endgültige Freigabe ihrer Neuentwicklung. Die Endabnahme sollte eigentlich schon längst durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig erledigt sein. Doch die Niedersachsen meldeten dem Landkreis neulich, dass sie noch ein paar Monate brauchen.

„Das Ganze ist schon keine Lachnummer mehr“, kommentierte Dußlingens Bürgermeister Thomas Hölsch die Lage jüngst im Technischen Ausschuss des Kreistags: „Für den Technologiestandort Deutschland ist das kein Ruhmesblatt.“ Es wohnen und arbeiten rund um den Tunnel einige Dußlinger, die sich am teils absichtlichen Lärm von PS-Junkies im Tunnel stören. Außerdem liegt ein Blitzer auch im Interesse etwa der Dußlinger Feuerwehr, diebei einem Unfall im Tunnel im Extremfall unter massiv erschwerten Bedingungen arbeiten müsste.

Der Blitzer ist deshalb vom Landkreis schon seit Jahren eingeplant. Und unter anderem, weil herkömmliche Boden-Schleifen-Lösungen durchaus anfällig sind und bei einem Austausch der Tunnel gesperrt werden müsste, hatte man sich für moderne Technik entschieden. Zum Jahreswechsel prüften die Firmentechniker die Einstellung der Anlage, die übrigens nicht blenden soll, in einer beim Bau eigens freigelassenen Nische im Tunnel. Später hat man alles fest installiert – und dann zwangsläufig erstmal im Tee gerührt.

„Unbeeinflussbares Eigenleben“

„Solche Bundesanstalten führen ein von uns unbeeinflussbares Eigenleben“, sagte Landrat Joachim Walter jüngst im Kreistagsausschuss nur halb im Scherz: „Vielleicht müssen wir einen Bittgang nach Braunschweig machen. Der Hersteller setzt immerhin alles notwendige in Gang.“ Bis es im Tunnel selbst rund läuft, will der Landkreis immer mal an den Eingängen die Geschwindigkeit kontrollieren. Auch auf den „Beschleunigungsstrecken“ hinter dem Tunnel sei oft Erschreckendes geboten, so der Landrat. Man ging bei den Verkehrsexperten schon einmal von rund einem Drittel der Autofahrer aus, die in diesem Umfeld der B 27 zu schnell fahren. Eine enorme Zahl bei geschätzten rund 30 000 Autos am Tag. Dass es mit der Tempo-Disziplin grundsätzlich nicht so weit her ist, zeigt ein Vergleich mit der Röhre Richtung Tübingen: Dort ist noch kein Blitzer installiert und zumindest stichprobenartig erhärtet sich der Eindruck, dass deshalb hier oft schneller gefahren wird als erlaubt.

Dass die reine Präsenz einer schwarzen Schachtel gewissermaßen für einen Plazebo-Effekt vor Ort sorgt, kann Hans Erich Messner, Erster Landesbeamter und Leiter des Geschäftsbereichs Verkehr, durchaus nachvollziehen. „Wir haben im Landkreis einige ausgemusterte Starenkästen stehen“, lächelte Messner jüngst am Rande der Sitzung: „Die haben bestimmt auch noch einen Abschreckungseffekt bei Rasern.“