Zwischen Reform und Krise

Die nächsten Fifa-Funktionäre dingfest gemacht, weitere sollen folgen

Es hatte ein freudiger Tag des Aufbruchs und der demokratischen Mission werden sollen. Neue Festnahmen erinnern aber an den unverändert kritischen Zustand des Fußball-Weltverbandes Fifa.

04.12.2015

Von SID

Die nächsten Fifa-Funktionäre dingfest gemacht, weitere sollen folgen

Zürich. Die Justiz schlug wieder im Morgengrauen zu - und sie erschütterte die Fifa ausgerechnet am Tag des "Neuanfangs" erneut in ihren Grundfesten. Um sechs Uhr verhafteten die Schweizer Behörden im Züricher Fünf-Sterne-Hotel Baur au Lac am Donnerstag die beiden Vize-Präsidenten Juan Angel Napout (Paraguay) und Alfredo Hawit (Honduras), wenige Stunden später gab die US-Justiz bekannt, gegen 16 weitere, teils hochrangige Fifa-Funktionäre zu ermitteln. Acht Angeklagte haben sich nach Angaben von Justizministerin Loretta Lynch schuldig bekannt.

Es geht um Bestechung in Millionenhöhe. Der Neustart des Fußball-Weltverbandes aus einer tiefen Krise ist trotz der gestern beschlossenen Reformen weit, weit entfernt. "Die hochrangigen Fifa-Funktionäre sollen diese Gelder als Gegenleistung für den Verkauf von Vermarktungsrechten im Zusammenhang mit der Austragung von Fußballturnieren in Lateinamerika und von WM-Qualifikationsspielen erhalten haben", teilte das Schweizer Bundesamt für Justiz mit: "Die Straftaten sind gemäß Verhaftsersuchen teilweise in den USA abgesprochen und vorbereitet worden; zudem sind Zahlungen über US-Banken abgewickelt worden."

Sowohl Hawit als auch Napout widersetzten sich umgehend ihrer direkten Auslieferung an die USA, sie werden alles abstreiten. Von den sieben Vize-Präsidenten des Fifa-Exekutivkomitees sind damit drei endgültig aus dem Verkehr gezogen, weitere werden verdächtigt.

Am Abend platzte die nächste Bombe. US-Staatsanwalt Roberto Capers erklärte, es handele sich bei den 16 weiteren Angeklagten um "hochrangige Fifa-Offizielle mit Spitzenämtern in der CONCACAF und CONMEBOL", der Verbände von Nord-, Mittel- und Südamerika sowie der Karibik. Capers nannte die Verbände von Brasilien, El Salvador, Guatemala, Honduras, Bolivien, Ecuador, Paraguay und Peru. "Die Zahlen sind erschütternd", sagte Capers: "Was genug ist, ist genug." Nach Informationen der BBC soll auch der frühere brasilianische Verbandschef Ricardo Teixeira zu den Personen gehören, denen eine Verwicklung in Bestechung- und Korruptionsdelikte in Höhe von etwa 200 Millionen US-Dollar vorgeworfen wird. "Sie alle werden uns nicht entkommen", sagte Lynch. Blatter (79), gegen den in der Schweiz ein Strafverfahren eröffnet worden war, gehörte nicht zu den Verhafteten. Bei der Fifa spielte der Name Blatter am gestrigen Donnerstag keine Rolle.

Das am Donnerstag dennoch auf den Weg gebrachte Fifa-Reformpaket könnte ähnliche Auswüchse zumindest in Zukunft verhindern. Das Exko mit dem als DFB-Präsident zurückgetretenen Wolfgang Niersbach soll in eine Art strategischen Aufsichtsrat ("Council") umgewandelt werden, die Amtszeit der Entscheider einschließlich des Fifa-Präsidenten auf maximal zwölf Jahre begrenzt werden. Zudem soll die Anzahl der derzeit 26 Fifa-Kommissionen auf neun reduziert und mit mehr unabhängigen Mitgliedern besetzt werden. Es würde eine Frauenquote geben, die Gehälter der Führungsriege würden offengelegt.

Die offensichtlich geplante Aufstockung der Weltmeisterschaften auf 40 Teilnehmer ab der Endrunde 2026, die das Exko alleine hätte beschließen können, wurde dagegen verschoben - vielleicht in weiser Voraussicht auf das zu erwartende Medienecho.

Die Fifa-Spitzenmänner und ihre Verstrickungen

Lange Liste Ein Blick auf die Präsidenten des Weltverbandes und der Konföderationen offenbart das ganze Dilemma im Weltfußball. Nahezu jeder Spitzenfunktionär wird mit kriminellen Machenschaften in Verbindung gebracht. Verbandsboss Joseph Blatter und Michel Platini, der Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa), sind wegen einer dubiosen Zwei-Millionen-Franken-Transaktion aus dem Jahr 2011 von der Fifa-Ethikkommission suspendiert worden. Juan Angel Napout und Alfredo Hawit Banegas wurden wegen möglicher Korruption festgenommen. Auch gegen Afrika-Chef Issa Hayatou, derzeit Fifa-Interimspräsident, sind Korruptionsvorwürfe bekannt. Unterdessen musste sich Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa, Boss der asiatischen Konföderation (AFC) und Fifa-Präsidentschaftskandidat, zuletzt mit Vorwürfen wegen Menschenrechtsverletzungen in Bahrain auseinandersetzen. Einzig David Chung, Präsident des ozeanischen Verbandes (OFC), steht noch nicht im Mittelpunkt von Anschuldigungen.