Mit Engelszungen…

Die abgesagte Plakat-Aktion

Es gibt in diesem Wahlkampf Plakate, die mehr Fragen als Antworten liefern, albern wirken, ärgerlich machen, einfach nur bunt sind oder sogar ansprechen.

08.03.2016

Von Thomas de Marco

Die abgesagte Plakat-Aktion

Und dann gibt es Plakate, die werden erst gar nicht aufgehängt. Das ist jetzt bei der CDU im Reutlinger Wahlkreis passiert. Da hatte die Junge Union die Idee gehabt, dem 67-jährigen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann noch einmal so richtig eine reinzuwürgen. Auf einem knallgrünen Plakat steht deshalb ganz in weiß: „Kretschmann wählen bedeutet Özdemir bekommen.“

Damit will die Junge Union (JU) des Landes zeigen, dass sie davon ausgeht, Kretschmann wolle im Falle des Wahlsiegs nicht die gesamte Legislaturperiode amtieren, sondern während der fünf Jahre Cem Özdemir Platz machen. „Ich finde die Aktion gut. Die Junge Union ist gerne der Wadenbeißer der CDU“, sagt dazu Valérie Neumann, Reutlinger Kreisvorsitzende der JU. Dumm nur, dass der hiesige Landtagsabgeordnete Dieter Hillebrand da eine ganz andere Meinung hat – und vergangene Woche in seinem Wahlkreis ein Plakatierverbot verfügt hat. „Ich finde diese Aktion nicht gut und will die Plakate nicht“, sagte er.

Der Reutlinger Stadtverband trage diese Entscheidung mit, erklärt dessen Vorsitzende Gabriele Gaiser. Sie verweist darauf, dass es die Landesgeschäftsstelle der CDU den Kandidaten selbst überlasse, ob die Botschaft der JU aufgehängt wird oder nicht. Zur Ablehnung in Reutlingen hat geführt, dass keine persönlichen Aussagen über den politischen Gegner gemacht werden sollten – und dass nicht für den Gegner plakatiert werde. Denn die knallgrüne Farbe lässt nun nicht sofort erahnen, dass es eigentlich gegen die Grünen geht. Zumal sich die JU nur ganz dezent am unteren Rand des Plakats als Urheber zu erkennen gibt. Wer als Autofahrer das alles im Vorbeifahren erkennen möchte, riskiert einen Unfall mit Totalschaden.

Außer zwei großen Plakaten, die bereits von einer Agentur angebracht wurden, werden die übrigen Exemplare nun ausrangiert – und im Wahlkreis Hechingen-Münsingen plakatiert. „Wir respektieren die Meinung unseres Kandidaten definitiv“, betont Neumann, 26, angehende Assistenten in einem Steuerberatungs-Büro.

Was aber sagt die Junge Union dazu, dass Kretschmanns CDU-Vorgänger Günther Oettinger und Stefan Mappus beide zu Ministerpräsidenten wurden, weil die jeweiligen Amtsinhaber der Union vorher zurückgetreten waren? „Na ja, das ist schon ein probates Mittel. Dagegen ist nichts zu sagen“, räumt Neumann ein. Geht es also vor allem gegen Cem Özdemir, womöglich gegen dessen türkische Wurzeln? Dagegen verwahrt sich die JU-Kreisvorsitzende: „Seine türkischen Wurzeln spielen überhaupt keine Rolle! Aber er ist ein ganz anderer Typ als Kretschmann – und sicher nicht die gleiche Landesvaterfigur“, sagt Neumann. Doch das wird zumindest in Reutlingen dank Hillebrand erst einmal plakativ ausgeblendet.