Kunst

Die Zukunft von gestern

In Filmen und Büchern wurden für die jeweilige Zeit unglaubliche Vorhersagen gewagt, von denen nicht wenige eingetroffen sind. Manchmal lagen die Autoren aber auch ganz schön daneben.

31.12.2020

Von THOMAS VEITINGER

Wofür braucht es denn im „Matrix“-Film die vielen Kabel? Warum verließen sich die Autoren nicht auf Übertragung durch die Luft? Foto: Moviestore/Shutterstock

Wofür braucht es denn im „Matrix“-Film die vielen Kabel? Warum verließen sich die Autoren nicht auf Übertragung durch die Luft? Foto: Moviestore/Shutterstock

Ulm. Menschen schauen zu Silvester nicht nur zurück, sondern auch nach vorn. Was wird das nächste Jahr wohl bringen? Viele Autoren von Büchern und Filmen blicken weiter in die Zukunft. Sie entwerfen Geschichten, die Jahrzehnte später spielen und sind dabei mit ihren Vorhersagen erstaunlich erfolgreich. Viele Produkte, Technologien und Dienstleistungen wurden schon treffend vorhergesagt.

Pionier ist sicherlich Jule Verne, der in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts nicht nur die Mondlandung vorwegnahm, sondern etwa auch ein mit Strom betriebenes U-Boot – das freilich komplett mechanisch funktionierte. Zwei der bekanntesten heutigen Produkte von gestern sind der allerdings etwas große Bluetooth-Ohrstecker von Lieutnant Uhura und der Kommunikator aus „Raumschiff Enterprise“ – letzterer ist als Klapphandy jedoch in unserer Zeit schon wieder out. In einem der besten Science-Fiction-Filme aller Zeiten „2001 – Odyssee im Weltraum“ von 1966 finden sich gleich mehrere Alltagsprodukte von heute wieder, etwa ein Computer-Tablet oder die Computer-Stimme Siri in männlicher Variante.

Ist die hohe Trefferquote Zufall? Wohl nicht. Science-Fiction und Wissenschaft gehen für den Medienwissenschaftler Lars Schmeink Hand in Hand. „In Ländern wie Kanada wirbt das Militär Science-Fiction-Autoren an, damit sie Zukunftszenarien entwickeln“, sagt der Autor vieler Schriften zu dem Thema. Aktuelle Wissenschaft und Zukunftsvisionen inspirieren sich gegenseitig. „Dabei müssen die Visionen immer im zeitlichen Kontext gesehen werden“, sagt Schmeink. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei die Raketentechnologie und Atomkraft sehr wichtig gewesen, Ingenieure retteten in Büchern und Filmen die Welt. In einer Zeit, in der Kühlschrank und Waschmaschine in Wohnungen kamen, wurde die Rolle von Maschinen und Robotern wichtig, die mehr und mehr Arbeit, manchmal aber auch die Macht übernahmen. Ähnliches spielte sich in den 60er Jahren dann mit Computern ab. Der deutsche Kybernetiker Karl Steinbuch schrieb von zentralen Informationsbanken, die von der Gesellschaft abgerufen werden können: Das Internet wurde vorhergesagt.

Ist das nicht ein Tablet-Computer? Zumindest ist die Ähnlichkeit in dem Film „2001  Odysee im Weltraum“ groß. Und gibt es Eis? Foto: Mary Evans/Imago Images

Ist das nicht ein Tablet-Computer? Zumindest ist die Ähnlichkeit in dem Film „2001 Odysee im Weltraum“ groß. Und gibt es Eis? Foto: Mary Evans/Imago Images

Manchmal sind Autoren auch zurückhaltend. In „Matrix“-Filmen spielen dicke Kabel, die in Menschen führen, eine Rolle, dabei sei die Übertragung durch die Luft schon vorhersehbar gewesen, sagt Schmeink. Oder die Voraussagen treffen (noch) nicht zu. Dass wir heute alle mit Raketenrucksäcken oder Autos mit kleinen Atomantrieben zur Arbeit kommen, hat sich ebenso wenig erfüllt wie die Symbiose von Mensch und Maschine, Flüge durch das Universum oder eine deutlich verlängerte Lebenszeit.

Ganz so wie in „Das fünfte Element“ sieht es in Städten heute nicht aus. Aber an Flugtaxis wird schon heftig geforscht. Foto: Alamy/Landmark Media/Maurizius images

Ganz so wie in „Das fünfte Element“ sieht es in Städten heute nicht aus. Aber an Flugtaxis wird schon heftig geforscht. Foto: Alamy/Landmark Media/Maurizius images

Für die Historikerin Elke Seefried haben Wissenschaft und Politik reflektiert, dass nicht alles umgesetzt werden muss und darf, was technisch möglich sei. Der Wissenschaftler Stephen Hawking sagte Zeitreisen voraus und richtete eine Party aus, verschickte die Einladungen aber erst danach, damit sie Menschen in der Zukunft auf ihrer Zeitreise stürmen sollten – und blieb den ganzen Abend alleine.

Viele Prognosen trafen jedoch ein – oder zumindest fast. Edward Ballamy schrieb in seinem Buch „Looking Backward“ von riesigen Lagerhäusern, in denen alle verfügbaren Waren ausgestellt werden, die Läden sind mit Haushalten durch ein Rohrsystem verbunden. Auch die Cyberpunk-Bewegung der 1980er-Jahre sah richtig voraus, dass wir Technik in uns tragen werden: Menschen mit Chips unter der Haut gibt es längst. Visionen wie Flugtaxis (aus „Das fünfte Element“) sind ebenso nahe wie Erweiterte-Realitäts-Brillen („Anon“) und natürlich das legendäre autonom fahrende Smart Car K.I.T.T. (aus „Knight Rider“).

Manchmal lässt sich laut Seefried auch nicht mehr erkennen, ob die Zukunft so wird, weil sie so vorausgesagt wurde. So befeuerte die Studie des Club of Rome von 1972 die Umweltbewegungen.