Tübingen · Umweltschutz

Die Verwaltung präsentiert ihr großes Klimaschutzprogramm

Tübingen will bis zum Jahr 2030 klimaneutral sein. Ein detailliertes Programm der Stadtverwaltung zeigt nun, wie das Ziel erreicht werden kann.

22.01.2020

Von Gernot Stegert

Ein Vorbild für die weitere Stadtentwicklung soll das Güterbahnhofareal sein. Fast jedes Dach ist mit Photovoltaik bestückt. Archivbild: Manfred Grohe

Ein Vorbild für die weitere Stadtentwicklung soll das Güterbahnhofareal sein. Fast jedes Dach ist mit Photovoltaik bestückt. Archivbild: Manfred Grohe

Jetzt ist es fertig und öffentlich: Boris Palmers Entwurf für ein Klimaschutzprogramm. Im Sommer 2019 hat der Gemeinderat beschlossen, dass Tübingen bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden soll. Das Ziel sei herausfordernd wie die Mondlandung für die Amerikaner in den 1960er Jahren, sagte der Oberbürgermeister in seiner Neujahrsrede am Freitag. Einige Punkte zur Umsetzung hat Palmer dort bereits genannt (wir berichteten). Nun liegt sein umfassendes und detailliertes Maßnahmenpaket für die verbleibenden elf Jahre vor.

Gegliedert ist das Klimaschutzprogramm in die drei Sektoren Wärme, Strom und Verkehr. Bisher verteilen sich die energiebedingten CO2-Emissionen Tübingens wie folgt: Wärme 242000 Tonnen im Jahr (47 Prozent), Strom 160000 Tonnen (31 Prozent), Verkehr 114000 Tonnen (22 Prozent). Grundlegende Annahmen des Programms sind unter anderem, dass der Energiebedarf drastisch reduziert werden muss, Biomasse nur in geringem Umfang nachhaltig für die energetische Nutzung verfügbar ist, die Sektoren gekoppelt werden müssen, viele Investitionen von heute die Klimawirkung noch für Jahrzehnte bestimmen werden, es viele technische Möglichkeiten gibt und dass „nur eine Kombination aus Ordnungsrecht und wirtschaftlichen Anreizen zum Ziel führen kann“.

Bernd Schott, Leiter der Stabsstelle Umwelt- und Klimaschutz, fasst die zentralen Elemente des Programms in der Vorlage für den Gemeinderat so zusammen:

Wärme: Reduktion des Wärmeenergiebedarfs um 20 Prozent durch Sanierungen; Ausbau der Fernwärme und von Nahwärmenetzen; Ersatz der Ölheizungen durch klimaneutrale Heizungen; Ersatz des Energieträgers Erdgas durch solarthermische Wärmeeinspeisung, Biogas, Biomasse-Heiz- oder -Kraftwerke und Erneuerbare-Energie-Synthesegas.

Bernd Schott, städtischer Umweltbeauftragter. Archivbild: Stadt Tübingen

Bernd Schott, städtischer Umweltbeauftragter. Archivbild: Stadt Tübingen

Strom: Reduktion des Strombedarfs um 20 Prozent; Verdreifachung der Erneuerbare-Energie-Stromerzeugungsanlagen im Eigentum der Stadtwerke von 200 auf 600 Gigawattstunden im Jahr; Zukauf von erneuerbarem Strom Dritter (zum Beispiel Windstrom aus Offshore-Kraftwerken); Steigerung des Ertrags von Photovoltaik auf dem Gemeindegebiet auf 200 Gigawattstunden im Jahr.

Verkehr: Einführung des kostenfreien ÖPNV, finanziert durch Parkraumbewirtschaftung; Umstellung der Busflotte auf Elektroantrieb; Bau der Regionalstadtbahn mit Tübinger Innenstadtstrecke; Aufbau einer umfangreichen Sharing-Mobility-Flotte, mit bis zu 1000 E-Carsharing-Fahrzeugen; sukzessive Umstellung der privaten PKW auf Elektroantrieb; Umverteilung des Verkehrsraumes zugunsten des Umweltverbundes (Rad, Fuß, ÖPNV); Reduktion der PKW-Fahrzeugkilometer um 30 Prozent und Ersatz durch Bahn, Bus und Fahrrad; Ausbau „inter- und multimodaler Mobilitätsangebote“.

Der Entwurf gliedert sich in zwei Bereiche. Teil A nennt Maßnahmen, von denen sich die Verwaltung eine hohe Wirkung erhofft. Teil B umfasst Aktionen, die die Vorbildfunktion der Stadt betonen und die Bürger motivieren und beraten sollen.

Info Das TAGBLATT wird das Klimaprogramm und die Debatte darum mit ausführlichen Informationen und mit Debattenbeiträgen begleiten.

Siehe auch die weiteren Artikel zum Thema (unten).

Wie die Bürger und Bürgerinnen beteiligt werden

Mit der Neujahrsrede und der Vorlage für den Gemeinderat hat Oberbürgermeister Boris Palmer einen ersten Schritt gemacht. Am Montag berät der Klimaausschuss ab 17 Uhr im Rathaus. Beschlossen werden soll noch kein Inhalt, sondern der Auftrag an die Verwaltung, das Programm im Frühjahr 2020 in einen breiten Beteiligungsprozess zu geben. Teil ist eine Einwohnerversammlung am 10. März um 20 Uhr. Im Sommer 2020 soll ein mit Bürgern, Gremien und Verbänden beratener Entwurf für die strategische Ausrichtung und für erste Maßnahmen vorliegen, auf dessen Basis der Gemeinderat entscheiden kann, ob ein Bürgerentscheid oder eine App-Befragung folgen soll. Ziel ist ein Beschluss des Gemeinderates noch im Jahr 2020 über die strategische Ausrichtung und erste, größere Pakete.