Die Verlegerin

Die Verlegerin

Historiendrama von Steven Spielberg über die Veröffentlichung der skandalösen Pentagon-Papiere - mit Meryl Streep und Tom Hanks.

24.02.2018

Von Peter Ertle

Die Verlegerin
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Kay Graham, die Verlegerin der Washington Post, hat Probleme bei der Finanzierung des Blatts und wagt einen möglicherweise riskanten Börsengang. Mit diesem Detail aus dem Jahr 1971 hat Steven Spielberg eine Gefährdungslage, wie sie heute aus ganz anderen Gründen die gesamte Branche betrifft. Und wenn damals der „Post“ (und der New York Times) weitere Abdrucke aus den geheimen Pentagon Papers von Seiten der Nixon-Administration verboten wurden, dann hat das in Donald Trumps Hass auf Journalisten und der Einschränkung oder Ausschaltung der Meinungsfreiheit in europäischen Ländern wie der Türkei, Ungarn oder Polen sein aktuelles Pendant.

„Die Verlegerin“ ist ein mit nur acht Monaten Produktionszeit eilig auf die Beine gestelltes politisches Statement Spielbergs zur Pressefreiheit, einem Demokratiedino, den er vor dem Aussterben bewahren will. Ein Film über heute mit einer Story von gestern. Das einzig Nostalgische an ihm bringt der technische Fortschritt mit sich. 1971 klapperten noch Schreibmaschinen, es wurde in Blei gesetzt, man telefonierte mit verkabelten Scheibentelefonen und geheime Dokumente kamen nicht per Stick, Diskette oder Mail, sondern kistenweise in Papier. Der Whistleblower damals hieß Daniel Ellsberg, Vietnam-Kriegsbeobachter für die Regierung und Mitarbeiter jener Studie, die er 1971 der New York Times zuspielt und die dann auch bei der Washington Post landet: Den vom früheren Außenminister McNamara zur Einsichtnahme einer fernen Nachwelt (spielte da etwa ein Funken von Beichte und Reue mit oder war es schlicht der Stolz eines sich historisch bedeutsam fühlenden Politikers?) veranlassten 7000-seitigen „Pentagon Papers“ ist zu entnehmen, wie die US-Regierung die Bevölkerung über die Gründe des Kriegs und die Einschätzung seiner Erfolgsaussichten belog.

Aber Verlegerin Graham ist ausgerechnet mit McNamara und anderen hochrangigen US-Politikern befreundet und verbandelt, das gilt auch für den Chefredakteur und ehemaligen Kennedy-Intimus Ben Bradlee, die Warnung vor zu viel Nähe zur Macht ist dem Film deutlich eingeschrieben. Als frauenbewegte Lektion taugt er auch, denn Graham, die erste weibliche Zeitungsverlegerin der USA, macht sichtbar eine persönliche Entwicklung durch, emanzipiert sich gegen eine arrogante Männerwelt.

Zeitzeugen sagen, hier wich Spielberg am stärksten von der Realität ab, so unsicher wie zu Beginn des Films sei die Verlegerin nie gewesen. Auch habe er die Rolle der Washington Post etwas stärker akzentuiert, im Mittelpunkt habe doch eher die New York Times gestanden. Doch das sind Feinheiten und künstlerische Freiheiten, „Die Verlegerin“ ist keine Dokumentation, sondern ein Drama, das sich dokumentarischen Materials bedient.

Die Kernfrage, im Film wie in der Realität: Drucken oder nicht drucken? Drucken und den Ruin der Zeitung samt Haftstrafen riskieren? Oder nicht drucken, das Gesicht verlieren und die Chance, die Gesellschaft aufzuklären? Graham, zurückhaltend, aber mit vielen entscheidenden Nuancen von Meryl Streep gegeben, und Bradlee, den Tom Hanks so tough und angriffslustig spielt, dass man ihn kaum wiedererkennt – die Verlegerin und der Chefredakteur also votieren schließlich gegen alle Angsteinflüsterer, Lobbyisten und Drohkulissler für ihre Berufsehre und den Auftrag der Presse (die Konkurrenzsituation zur ungleich renommierteren New York Times bringt zusätzlich Pfeffer in die Sache). „Der einzige Schutz für das Recht der Veröffentlichung ist die Veröffentlichung“, Bradlees Credo ist das ein paar Mal wiederholte Credo dieses Films. Das Gericht gab der Zeitung am Ende Recht: Es sei nicht Aufgabe der Presse, für die Regierenden, sondern für die Regierten zu schreiben. „Die Verlegerin“ ist ein Film, den man – hoffentlich nicht nur als Journalist – etwas stolzer und bestimmter verlässt als man hineinging.

Schade nur, dass einem in der deutschen Fassung zwei Details verlorengehen: Zum einen hört man im Original bei Nixons wütenden Telefonaten im Weißen Haus tatsächlich Nixons Stimme (er ließ alle Telefonate aufzeichnen). Zum anderen geht die Dreifachbedeutung des englischen Filmtitels „The Post“ – Name der Zeitung, die entscheidende Leak-Nachricht, Spielbergs Filmpost an den Zuschauer – im deutschen Titel verloren. Was zu verschmerzen ist, da der Akzent auf „Die Verlegerin“ und damit die mutige Entscheidung eines Menschen auch keine schlechte Idee ist.

Bleibt zum Schluss noch, eine schöne Referenz und Story-logische Entscheidung zu erwähnen: „Die Verlegerin“ endet da, wo „Die Unbestechlichen“, der bislang berühmteste Film über die Presse, begann: Beim Einbruch ins Watergate-Gebäude.

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Erstellt:
24.02.2018, 19:01 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 10sec
zuletzt aktualisiert: 24.02.2018, 19:01 Uhr

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chahn 26.03.201811:53 Uhr

Die politische Dimension des Films ist sehr interessant, aber filmisch ist der Film langweilig und uninteressant. Auch Meryl Streep kann leider nicht überzeugen.

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