Exzellenzuniversität

Schöne Medaille mit Kehrseite: Tübingen ist toll, toll, toll

Zum zweiten Mal wurde die Eberhard Karls Universität zur Elite-Uni gekürt. Die Exzellenz ist gesichert.

19.07.2019

Von Ulla Steuernagel

Yipeeh, scheint der Bronzeläufer hinter der Neuen Aula zu jubeln. Am Freitag wurde die himmlische Botschaft verkündet. Bild: Ulla Steuernagel

Yipeeh, scheint der Bronzeläufer hinter der Neuen Aula zu jubeln. Am Freitag wurde die himmlische Botschaft verkündet. Bild: Ulla Steuernagel

Um 16.11 Uhr fiel endlich der Name Eberhard Karls Universität. An letzter Stelle. Die elf Universitäten, die von der Exzellenzkommission in Bonn den Titel Exzellenzuniversität zuerkannt bekamen, waren im Livestream aus Bonn alphabetisch genannt worden, und so machte Tübingen – in dieser Hinsicht jedenfalls – das Schlusslicht unter den deutschen Spitzenunis.

Die Erleichterung und der Jubel waren groß. Vor der Alten Aula an der Stiftskirche fiel man sich um den Hals, gratulierte sich gegenseitig, forderte Freudentränen ein, um dann in wohlgesetzten Worten und gutsortiert zur Pressekonferenz überzuleiten.

„Sie sehen uns überglücklich“, sagte Rektor Bernd Engler. Ob nicht schon vor der Verkündung der Ergebnisse Informationen und Gerüchte zur Spitzenuni vorgedrungen seien, diese Frage verneinte Engler. Nach der Begehung der Universität durch eine Gutachter-Kommission Anfang Februar sei nullkommanichts durchgesickert. Und wie wird die Entscheidung offiziell begründet? Als ob man eine Begründung nötig hätte, witzelte Engler. „Wir sind schlicht und einfach: toll, toll, toll!“ Die offizielle Erklärung für dieses Toll werde erst noch kommen, wobei dieser Brief durchaus auch Verbesserungsvorschläge enthalten könne.

Eins machte der Rektor jedoch unmissverständlich klar: „Wir haben alles gegeben.“ Mit Wissenschaftsministerin Theresia Bauer habe er gerade telefoniert und sich für die „intensive Begleitung“ durchs Land bedankt. Unter den vielen Danksagungen galt vor allem ein ganz großes Dankeschön dem Team um Andrea Schaub, der Leiterin des Dezernats Forschung, das drei Jahre das Bestmögliche für die Bewerbung gegeben habe. Er selber, so Engler, sei „gelegentlich wie ein Sklaventreiber“ rübergekommen. Schaub habe hingegen mit viel Charme den Teamgeist befeuert. Gerade im Team liege der spezielle „Tübingen Spirit“, stellte Engler fest. Tübingen habe auch in der Welt der Wissenschaft den Ruf: „Hier arbeitet man zusammen!“

Für eine nachhaltige Zukunft

Das Tübinger Konzept, das er mit „Open to new challenges und a global scope to action“ umschrieb, stehe für die Herausforderungen der Zukunft. Tübingen sei nun bereit für den Wettbewerb mit den weltbesten Universitäten, arbeite an seiner Internationalität und Weltoffenheit, man werde Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft („Global Awareness“) übernehmen. Der Name Tübingen sollte weltweit gekannt werden: „Der Standort muss strahlen“, so Engler.

Prof. Peter Grathwohl gab als Prorektor für Forschung einen kurzen Eindruck von dem, was die Aufnahme in die Exzellenzstrategie in Tübingen an „Exstras“ bedeuten werde: Die Infrastruktur, zum Beispiel die Bündelung in Zentren für Elektronen- und Ionen-Mikroskopie, soll ausgebaut werden. In die Digitalisierung werde investiert, wovon die gesamte Uni profitieren könne. Und ein Bonbon für alle Mitarbeiter, die unter dem Kraftakt des Bewerbungsverfahrens geächzt hatten: Die Universität wird sie am kommenden Mittwoch zu einem Sommerfest auf der Morgenstelle einladen.

Der neue Elite-Titel bedeutet auch eine Konsolidierung der Uniförderung durch Bund und Land. Zwar ist die Höhe der Summe, die Tübingen in den nächsten sieben Jahren zu erwarten hat, noch nicht bekannt gegeben worden – beantragt wurden knapp 15 Millionen Euro pro Jahr. Aber, so Engler: „Wir gehen davon aus, dass wir eine Verstetigung erwarten können.“ Nach sieben Jahren werde es eine Evaluierung geben und einer weiteren Exzellenzförderung stehe dann wohl nichts im Wege – unter der Voraussetzung, dass Tübingen auch wieder zwei Exzellenzcluster bekommt.

Schöne Medaille mit Kehrseite

Nicht nur an der Universität war die Freude groß. Oberbürgermeister Boris Palmer hielt gerade seine Bürgersprechstunde ab und war noch nicht über den Erfolg der Uni informiert. Er begrüßte die Entscheidung der Kommission für Tübingen sehr. Er habe nicht darauf vertraut, gab der OB zu. Nun falle ihm ein „Stein vom Herzen“. „Ich hatte nach der Begehung durch die Gutachter vorsichtig kritische Rückmeldung bekommen und war verunsichert“, so sein Kommentar. In die Freude und die Glückwünsche an den Rektor und die gesamte Universität mischte sich für ihn allerdings auch der Gedanke, dass dieser Status mit weiterem Wachstum verbunden sei und es damit „in Zukunft für die Stadt nicht leichter werde“. „Das“, so Palmer, „ist die Kehrseite der außerordentlich schönen Medaille.“

Regionale Wirtschaft profitiert

Im Laufe des gestrigen Abends trudelten von vielen Seiten Gratulationsmails ein: Annette Widmann-Mauz, Integrationsbeauftragte und CDU-Bundestagsabgeordnete, der Grüne Landtagsabgeordnete Daniel Lede Abal und sein Parteikollege im Bundestag, Chris Kühn, vermeldeten ihre Anerkennung über den gehaltenen und gewonnenen Titel.

Studierende und GEW hatten sich im Vorfeld dagegen kritisch geäußert und darauf hingewiesen, dass die Hochschulen insgesamt unterfinanziert seien und wissenschaftliche Stellen zumeist befristet ausgeschrieben würden.

Der Präsident der Industrie- und Handelskammer in Reutlingen schickte eine Freudenbotschaft: „Das ist ein sehr guter Tag für die Universität Tübingen und die gesamte Region“, so Christian O. Erbe. „Dieser Titel gibt noch einmal Impulse für die Wissenschaft, von denen auch die regionale Wirtschaft profitieren wird.“

Was bisher geschah und wie gefördert wird

34 Universitäten hatten bundesweit im September 2018 mindestens ein Exzellenzcluster geschafft, aber nur 17 bekamen zwei oder mehr und schafften damit die Voraussetzungen für eine „Exzellenzuni“. Tübingen war mit drei Clustern oder Forschungsverbünden die erfolgreichste Universität in Baden-Württemberg und die drittbeste im Bund. Nur Bonn und Hamburg erzielten mehr Cluster. Damit war eine gute Grundlage für die „Elite-Uni“ gelegt. Zu den 17 Bewerbern kamen zwei Uni-Bündnisse hinzu – eines aus Hannover, eines aus Berlin.

Insgesamt lagen damit 19 Antragsteller im Rennen . In Baden-Württemberg verteidigten Tübingen, Konstanz und Heidelberg den Titel. Freiburg und Karlsruhe waren, nachdem sie 2012 ausgeschieden waren, wieder in die Spitzengruppe aufgerückt. Die Universität Stuttgart kam erstmals in die Endausscheidung, ging a ber, wie Freiburg auch, leer aus.

Seit ihrer Ernennung 2012 brachte der Tübinger Universität der Exzellenz-Status 66 Millionen Euro ein. Für die kommenden sieben Jahre hofft die Universität auf eine Gesamtförderung von rund 100 Millionen Euro, zusätzlich gibt es pro Jahr insgesamt 20 Millionen Euro für die drei Cluster.

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Erstellt:
19.07.2019, 16:16 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 58sec
zuletzt aktualisiert: 19.07.2019, 16:16 Uhr

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