Ehrenamtliche Hilfe für Geflüchtete

Die Türöffnerin fürs Engagement

In der Tübinger Erstaufnahmestelle wohnen alleinreisende Frauen und Kinder. Pia Kuhlmann vom Diakonischen Werk organisiert für sie ehrenamtliche Unterstützung.

03.11.2018

Von Renate Angstmann-Koch

Hilfe für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge
01:45 min
In der Tübinger Erstaufnahmestelle sind besonders schutzbedürftige Flüchtlinge untergebracht: Dort leben alleinreisende Frauen mit ihren Kindern. Wie Ehrenamtliche ihnen helfen, das erklärt Koordinatorin Pia Kuhlmann im Video-Interview. Video: Renate Angstmann-Koch

Nigeria, Kamerun, Guinea. Das sind die wichtigsten Herkunftsländer der knapp über 200 Frauen und Kinder, die derzeit in der Tübinger Erstaufnahmestelle neben Regierungspräsidium und Landratgsamt leben. Viele weitere Staaten kommen hinzu. Aktuell sind in der vom Regierungspräsidium verwalteten Einrichtung zwölf Nationalitäten versammelt: 136 Frauen und 74 Kinder, von denen gut die Hälfte jünger sind als ein Jahr.

Die meisten haben einen langen Weg mit oft schrecklichen Erlebnissen hinter sich, manche sind traumatisiert. Die alleinreisenden Frauen gelten als besonders schutzbedürftig. Deshalb wurden sie der EA in Tübingen zugeteilt. Ihre Gesundheitsuntersuchung haben die Frauen schon in Heidelberg hinter sich gebracht. Dort haben sie auch ihre Asylanträge gestellt.

Besonders schutzbedürftig zu sein bedeutet nicht automatisch, auch Bleiberecht zu erhalten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) entscheidet während der durchschnittlich fünf Monate, in denen die Frauen in der EA bleiben, über ihren Asylantrag. Wenn sie ihren Bescheid erhalten haben, verlegt sie das für die Verteilung zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe in der Regel in die Landkreise. Im Fall einer Ablehnung legen die Frauen meist noch in der EA Tübingen Rechtsmittel gegen den Bescheid ein. Manchmal werden aber auch Frauen direkt aus der Unterkunft abgeschoben, sagt Daniel Hahn, Pressesprecher des Regierungspräsidiums. Darüber entscheide allein das Bamf.

Die Unsicherheit über ihre Zukunft ist das größte Problem für die Frauen, weiß Pia Kuhlmann. Die 33-jährige Sozialpädagogin koordiniert seit Jahresbeginn im Auftrag des Diakonischen Werks Ehrenamtliche. Etwa 15 Männer und Frauen aller Altersgruppen hat sie derzeit in ihrer Kartei. Sie steht ihnen als Ansprechpartnerin zur Verfügung und hält Kontakt zu Kooperationspartnern.

Die Ehrenamtlichen unterstützten die Frauen und Kinder auf vielfältige Weise. Sie begleiten sie zu Kliniken oder Ämtern, die aus rechtlichen Gründen nicht übersetzen dürfen. Dabei komme man mit Englisch oder Französisch schon ziemlich weit, sagt Kuhlmann. Oder sie helfen bei Projekten auf dem Gelände der EA wie Basteln, Deutsch oder Orientierung. Dabei geht es darum zu helfen, alltägliche Hürden wie das Bedienen von Fahrkartenautomaten, die Wahl des richtigen Tickets oder Kartenlesen zu nehmen. Für die Mütter ist es oft schon eine große Erleichterung, wenn mal jemand für ein paar Stunden Babysitting übernimmt.

Die Caritas und das Asylzentrum bieten in der EA unabhängige Sozial- und Verfahrensberatung an. Von 6 bis 22 Uhr ist auch die Alltagsbetreuung in der EA ständig mit acht Leuten besetzt. Zum Sicherheitsdienst gehört auch immer mindestens eine Frau, und es gibt auch eine Psychologin. Für die Bewohnerinnen geht es dann um Fragen, ob Post da ist, womöglich ein Bescheid kam. Sie haben auch die Möglichkeit, auf dem Gelände mitzuhelfen. „Man hat dann was zu tun und muss nicht nur warten, dass der Tag rumgeht, und man bekommt Entschädigung“, sagt Hahn.

„Die Schutzsuchenden erfahren einen empathischen Blick und werden mit ihren Unterlagen nicht allein gelassen“, beschreibt er einen Teil der Rolle der Ehrenamtlichen. Sie werden geschult, da es nicht immer einfach ist, mit traumatisierten Menschen umzugehen, die vielleicht unter Schlaflosigkeit leiden oder ständig unpünktlich sind. Es gab auch schon einen Kurs, wie man Deutsch unterrichtet.

Für die Kinder beginnt die Schulpflicht erst nach sechs Monaten. Sie haben aber ein Recht, in die Schule zu gehen. Ob sie aufgenommen werden können, entscheidet die Schule. Kuhlmann ist froh, dass die Schule am Hechinger Eck zehn Kinder aus der EA unterrichtet, „sie ist ein guter Partner“. Nach den Herbstferien kommen vier weitere Kinder hinzu.

„Ich bin dankbar für alle Kooperationspartner und Spender, die für die Frauen und Kinder Dinge möglich machen“, sagt die Koordinatorin. Es gibt etwa ein Gartenprojekt, und der Hochschulsport bietet „Internationales Tanzen“ wie Samba oder Maringa an. Es gibt eine Warteliste. Sich in der EA ehrenamtlich zu engagieren, habe auch den Vorteil, dass man sich nicht langfristig verpflichten muss, so Kuhlmann.

Pia Kuhlmann koordiniert ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in der Tübinger Erstaufnahmestelle. Bild: Angstmann-Koch

Pia Kuhlmann koordiniert ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in der Tübinger Erstaufnahmestelle. Bild: Angstmann-Koch

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Erstellt:
03.11.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 59sec
zuletzt aktualisiert: 03.11.2018, 01:00 Uhr

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