Tübingen · Lebensmittelausgabe

Die Tafel ist wie ein coronafester Kiosk

Die Tübinger Tafel in der Eisenbahnstraße ist seit kurzem wieder geöffnet. Für die Kunden gelten nun viertelstündige Zeitfenster.

15.05.2020

Von Dorothee Hermann

Freiwillige der Tübinger Tafel packten am Mittwochnachmittag Lebensmittel in Kunststoff-Kisten, die nach jeder Übergabe an einen Kunden oder eine Kundin desinfiziert werden. Neu im Team ist die Physik-Doktorandin Gela Hämmerling (Mitte). Bild: Ulrich Metz

Freiwillige der Tübinger Tafel packten am Mittwochnachmittag Lebensmittel in Kunststoff-Kisten, die nach jeder Übergabe an einen Kunden oder eine Kundin desinfiziert werden. Neu im Team ist die Physik-Doktorandin Gela Hämmerling (Mitte). Bild: Ulrich Metz

Der Tübinger Tafelladen ist aus der coronabedingten Schließungszeit zurück und hat beim Virenschutz aufgerüstet: Die Abgabe der Lebensmittel erfolgt nun wie an einem Kiosk durch Plexiglasscheiben an drei Außentüren des Tafelladens in der Tübinger Eisenbahnstraße. „Die Leute können auf die Produkte deuten, die sie möchten“, sagte Günter Gauglitz vom Tafel-Vorstand am Mittwochnachmittag. Ein weiteres Ausgabefenster ist für die Kasse reserviert: Für jeden Erwachsenen werden pro Einkauf zwei Euro fällig. Kinder zahlen nichts. Wer zur Tafel kommt, sollte eine Schutzmaske tragen.

Ohne Bonuscard zur Tafel

Neu ist: Wer durch den Corona-Lockdown in Not geraten ist, aber keine Kreisbonuscard hat, darf bis 17. August ebenfalls im Tafelladen einkaufen. Voraussetzung ist, dass eine Sozialberatungsstelle wie etwa Caritas, Diakonie, Pro Familia, Kinderschutzbund oder Beratungsstelle für ältere Menschen und deren Angehörige einen entsprechenden Antrag für den Betroffenen oder den jeweiligen Haushalt stellt. Zur Anmeldung bei der Tafel sollten alle zum Haushalt oder der Bedarfsgemeinschaft gehörenden Personen ihren Ausweis mitbringen.

Am Mittwochnachmittag hatte sich kurz nach der Öffnung des Tafelladens um 17 Uhr eine kleine Warteschlange gebildet. Dabei ist das neue Verfahren zügiger, hat Gauglitz beobachtet. Wie bisher ist für jeden Kreisbonuscard-Inhaber der Abholtag festgelegt. Doch nun müssen Kunden auch ein vorgegebenes Zeitfenster einhalten, damit kein Gedränge aufkommt.

Die jeweiligen Zeiten sind auf der Tafel-Homepage aufgelistet und auf Tabellen, die in den Fenstern des Tafelladens aushängen. Pro Viertelstunde sind es 20 Bonuscard-Nummern. Davon seien etwa 16 vergeben, so Gauglitz. „Zehn bis elf kommen.“ Wer in der einen Woche gleich am Anfang an der Reihe ist und noch viel Auswahl hat, rückt mit der Zeit immer weiter nach hinten – damit es auf Dauer gerecht zugeht.

Am Mittwoch wirkte besonders das Obst- und Gemüse-Angebot sehr ansprechend: rote und gelbe Paprikaschoten, Karotten, Fenchel, Suppengrün, eine Sellerieknolle, Kartoffeln, Äpfel, Trauben, Melonen, fünf Ananas und ein einzelner Granatapfel. Auch die Radieschen sahen knackig aus, trotz welker Blätter. Ansonsten bietet der Tafelladen Backwaren, Fleisch und Wurst und auch Milchprodukte wie Joghurt, Käse und Butter. Am Mittwoch gab es zudem Kaffee, Nudeln, Reis und jede Menge Oster-Süßigkeiten. Auch Shampoo und Spülmittel waren vorhanden.

Alles ist nun auf drei Räume verteilt, damit die jeweils sechs bis sieben Tafelmitarbeiter gut Abstand halten können. Sie packen die gewünschten Lebensmittel in flache Kunststoffkisten und reichen diese durch die Ausgabefenster an die Kunden. Diese füllten die Lebensmittel auf Biertischen vor dem Laden in die eigenen Taschen, Rucksäcke oder Trolleys um.

Einige sind noch vorsichtig

An einem gewöhnlichen Dienstag kaufen zirka 80 Haushalte im Tafelladen ein. Doch beim Auftakttag in dieser Woche waren es nur 56, berichtete Reinhardt Seibert, der Erste Vorsitzende des Vereins, am Mittwochnachmittag. „Einige sind sind noch vorsichtig“, vermutete er. Derzeit beliefert die Tafel insgesamt 2080 Personen aus 725 Haushalten aus dem Tübinger Stadtgebiet, Dettenhausen, den Härten und dem Ammertal. Knapp die Hälfte von ihnen sind Kinder.

Drei Tafel-Außenstellen in Tübingen bleiben weiterhin geöffnet: in der Kinder- und Jugendfarm Derendingen, bei der Kirchengemeinde Sankt Petrus in Lustnau und im Stadtteiltreff Wanne. Sie werden von jungen Freiwilligen der „Initiative Grundversorgung“ betrieben, die schon während der Schließung des Tafelladens seit dem 16. März eingesprungen waren. Einige dieser Freiwilligen sind nun ins Tafel-Team gewechselt, wie Gela Hämmerling, die in Physik promoviert. „Es ist auch schön, mal aus dem Homeoffice-Alltag herauszukommen und etwas Sinnvolles zu tun“, sagte die 28-Jährige.

Das Einsammeln der Lebensmittelspenden ist komplizierter geworden. Früher waren die Tafel-Aktivisten zu dritt im Transporter unterwegs. Nun fährt einer mit dem Sprinter voraus, und zwei jüngere Helfer fahren mit einem Mietwagen hinterher. Viele der Freiwilligen gehören zur älteren Risikogruppe. Doch nun arbeiten 80 Prozent von ihnen wieder.

Fahrer/innen für neuen Lieferservice gesucht

Die Tübinger Tafel freut sich über Spenden von Lebensmitteln, aber auch von Hygieneartikeln: nicht nur von Supermärkten, Bäckereien, Metzgereien, Landwirten und Drogerien, sondern auch von Kirchengemeinden, Vereinen und privaten Haushalten. Derzeit baut die Tafel einen Lieferservice mit Mietfahrzeugen für bedürftige Ältere, Kranke und Menschen mit Behinderungen auf, für die es zu beschwerlich ist, selbst zum Tafelladen zu kommen. Lebensmittelunverträglichkeiten und besondere Vorlieben werden berücksichtigt. Für diesen Lieferdienst, der Anfang Juni starten soll, sucht das Team noch junge Freiwillige als Fahrer. Bei Interesse bitte per Mail an info@tuebingertafel.de melden oder unter der Mobilnummer 0151/64303228 anrufen.

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Erstellt:
15.05.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 13sec
zuletzt aktualisiert: 15.05.2020, 01:00 Uhr

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