Tübingen · Weihnachtsspendenaktion

Die Tafel bedeutet für viele Leute großes Glück

Die Tübinger Tafel profitiert momentan von vielen Unterstützerinnen und Unterstützern – ohne Spenden würde es aber schnell an bestimmten Lebensmitteln mangeln.

14.12.2022

Von Carolin Albers

Sind die gespendeten Lebensmittel noch gut? Ehrenamtliche der Tübinger Tafel schauen alles einzeln durch und sortieren am Vormittag. Nachmittags können die Kunden dann einkaufen.Bilder: Carolin Albers

Sind die gespendeten Lebensmittel noch gut? Ehrenamtliche der Tübinger Tafel schauen alles einzeln durch und sortieren am Vormittag. Nachmittags können die Kunden dann einkaufen.Bilder: Carolin Albers

Ja, es kam schon vor, dass Reinhardt Seibert zu Kunden sagen musste: Tut uns leid, das gibt es heute nicht mehr. Molkereiprodukte zum Beispiel sind sehr gefragt, das Angebot jedoch gering. „Das tut besonders weh, wenn man sagen muss, dass wir etwas nicht mehr haben“, sagt der Vorsitzende der Tübinger Tafel. Momentan sind es auch Mehl und Zucker, die sich die Kunden wünschen – klar, bald ist Weihnachten: Backen gehört da einfach dazu.

Heute sind die Regale in dem Laden im Depot-Areal jedoch gut gefüllt. „Wir sind reich beschenkt worden“, sagt eine Ehrenamtliche der Tübinger Tafel, während sie mit anderen Helferinnen und Helfern die Lebensmittel sortiert. Seibert ergänzt: „Ja, es wird Weihnachten.“ Und sogar Tannenbäume gibt es heute: 20 Stück lieferten die Stadtwerke als Spende für die Tafel-Kunden. Neben dem Obst und Gemüse stehen sie nun.

„Die Unterstützung der Tübinger Bevölkerung ist gerade unglaublich“, sagt Monika Bürkle-Kahle aus dem Vorstand. „Jeden Tag kommen mindestens fünf Personen mit einer Tüte voll Lebensmittel, die sie extra für die Tafel gekauft haben.“ Außerdem profitiert der Verein von einer anderen Initiative: der Spendenaktion der beiden Kilchbergerinnen Hagar Steiff und Bettina Koschtjan. Sie kaufen bei regionalen Läden ein, um die Lebensmittel dann der Tafel zu spenden (wir berichteten). Sie unterstützen dadurch nicht nur die Tafel, sondern auch Läden aus der Region.

Das bedeutet Erleichterung: Denn Supermärkte geben momentan weniger an die Tafel ab, die Kundenzahl der Tafel ist jedoch seit dem Ankommen ukrainischer Geflüchteter stark gestiegen. „Wir sind froh ohne Ende“, sagt Willi Egeler von der Tübinger Tafel. „Dadurch sind wir in der glücklichen Lage, genug Lebensmittel zu haben.“ Reinhardt Seibert weiß aber auch, dass sich das schnell wieder ändern kann: „Gerade läuft es gut mit den Spenden, aber wenn die ausbleiben, haben wir wieder nicht genug.“

Die Nachfrage bei der Tafel ist groß, pro Woche können aber nur noch sechs neue Haushalte aufgenommen werden – was sogar noch mehr ist als bei anderen Tafelläden in Deutschland: Manche haben Aufnahmestopp. Trotzdem zeigt die Beschränkung, dass auch die Tübinger Tafel in Not ist, so Seibert. „Unsere Kapazitäten sind begrenzt“, sagt der 75-Jährige. Ehrenamtliche kämen an ihre Grenzen, zudem fehle es an Platz, um Lebensmittel zu lagern.

Die Tafel bedeutet für viele Leute großes Glück
750 Haushalte kämen regelmäßig zur Tafel, das sind 1800 Leute. „Es gibt Einzelpersonen, aber auch Familien mit bis zu zehn Personen“, sagt Seibert. „Etwa 60 Prozent sind Erwachsene, 40 Prozent Kinder.“ Die jüngsten Tafelkunden sind Babys. Das wissen die Mitarbeiter der Tafel, wenn auf dem Tafelausweis plötzlich ein Kind mehr vermerkt ist. „Da stehen dann statt vier plötzlich fünf Kinder drauf.“

Es sind vor allem Hartz-IV-Empfänger, die auf die Tafel angewiesen sind, so Seibert. Auch viele Alleinerziehende brauchen die Unterstützung, genauso wie Rentner mit wenig Einkommen – und Geflüchtete, aus der Ukraine, aber auch aus anderen Ländern wie Syrien und Irak.

Die Ehrenamtlichen füllen die Kühlschränke mit Molkereiprodukten. Diese sind sehr begehrt bei den Kunden.

Die Ehrenamtlichen füllen die Kühlschränke mit Molkereiprodukten. Diese sind sehr begehrt bei den Kunden.

Ein Kunde ist zum Beispiel ein 75-Jähriger. Er ist zusammen mit seiner Frau im Jahr 2001 nach Deutschland gekommen, seit 2005 ist er Kunde und auch ehrenamtlicher Mitarbeiter bei der Tafel. Das Geld, das das Paar zum Leben hat, ist gering: 800 Euro Rente bekommt er, sie gerade mal 25 Euro. Die 40 Jahre, die sie als Lehrerin in Kasachstan gearbeitet hat, interessieren den deutschen Staat nicht. „Mit der Tafel haben wir großes Glück“, sagt der 75-Jährige.

Das bestätigt auch ein anderer Mann, der ebenfalls gleichzeitig Kunde und ehrenamtlicher Mitarbeiter ist. „Die Tafel ist schon eine große Hilfe.“ Auch er ist seit 2005 auf die Unterstützung angewiesen, denn er lebt von Grundsicherung. Zieht er seine Strom- und Telefon-Rechnung ab, hat er nur noch 370 Euro im Monat zur Verfügung. „Rücklagen zu bilden ist schwierig“, sagt er. „Mit Mühe bleiben mal 100 Euro nach mehreren Monaten übrig. Aber dann kommt schon wieder die nächste Rechnung wie etwa für die Versicherung, und das Geld ist weg.“

Auch Weihnachten wird da zur Herausforderung: Woher Geld nehmen, um seinen Kindern etwas zu schenken? Und wenn mal etwas kaputt geht, kann der 70-Jährige es nicht einfach mal eben ersetzen: „40 Euro sind da schon eine Großinvestition.“ Immerhin: Durch seinen Einkauf bei der Tafel spare er monatlich 80 bis 100 Euro, vermutet der Tübinger. „Ohne die Tafel wäre ich jeden Monat blank, schätze ich.“

Zwei Projekte setzten auf die Leserinnen und Leser

Spenden können Sie auf das TAGBLATT-Konto bei der Kreissparkasse Tübingen (IBAN: DE94 6415 0020 0000 1711 11). Vermerken Sie, wenn Sie eine Spendenquittung benötigen, und fügen in diesem Fall Ihre vollständige Adresse hinzu. Bei Beträgen bis 300 Euro akzeptiert das Finanzamt einen Kontoauszug. Wollen Sie ein bestimmtes Projekt unterstützen (Projekt 1 „Kinder im Intensiv-Delir“ oder Projekt 2 „Tafel“), bitten wir um einen entsprechenden Vermerk. Gemäß Art. 13 DSGVO sind wir verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass wir Name, Adresse und Spendenbetrag der Leser und Leserinnen, die eine Spendenbescheinigung wünschen, an die begünstigten Organisationen übermitteln.

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Erstellt:
14.12.2022, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 35sec
zuletzt aktualisiert: 14.12.2022, 01:00 Uhr

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