Ende des Schreckens

Die Stadtwerke wollen die automatischen Parkhäuser durch konventionelle ersetzen

Nicht die Tage, aber die Jahre der automatischen Parkhäuser beim Französischen Viertel und im Loretto-Quartier sind gezählt. Die Tübinger Stadtwerke als Betreiber haben jetzt das Ende der Pannenprojekte und Verlustbringer angekündigt. Denn Ersatz zeichnet sich ab.

30.08.2016

Von Gernot Stegert

Blick in das automatische Loretto-Parkhaus: Die Autos werden maschinell hintereinander geparkt, die Decke ist niedrig. Bild: Sommer

Blick in das automatische Loretto-Parkhaus: Die Autos werden maschinell hintereinander geparkt, die Decke ist niedrig. Bild: Sommer

Tübingen. Die Idee war vielversprechend: In automatischen Parkhäusern lassen sich mehr Autos auf der gleichen Fläche unterbringen als in konventionellen. Denn die Geschosse sind sehr niedrig. Menschen müssen in ihnen nicht stehen können. Und weil sie auch nicht darin gehen, ist die Sicherheit größer. Den automatischen Parkhäusern schien die Zukunft zu gehören. Und so baute Tübingen – wie andere Städte auch –¨welche, am Rande seiner neuen möglichst autofreien Vorzeigequartiere Loretto (2003) und Französisches Viertel (2005). Doch in der Praxis folgte eine Panne der anderen.

Schon bei der Eröffnung des Loretto-Parkhauses in der Katharinenstraße mit dem damaligen Stadtwerke-Geschäftsführer Friedrich Weng und Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer (SPD) stürzte das Computersystem ab. Die Mechanik erwies sich als äußerst störanfällig. Streusalz und sogar Sonnenstrahlen lösten Ausfälle aus. Zudem gibt es zu wenig Aufzüge. Folge sind Wartezeiten zu Hauptverkehrszeiten.

„Die automatischen Parkhäuser sind eigentlich nicht zumutbar, vor allem in der Rushhour morgens“, sagt auch Wilfried Kannenberg, der zuständige Geschäftsführer der Stadtwerke Tübingen (SWT) im Gespräch mit dem TAGBLATT. Die Anfälligkeit der Steuerungstechnik steige weiter. Gerade ist sie im Parkhaus beim Französisches Viertel wieder komplett ausgefallen. Etliche Autos steckten damit fest. Für ihre Fahrer mussten die Stadtwerke Fahrdienste anbieten oder Taxis bezahlen. Die ständigen Ausfälle und Reparaturen gehen ins Geld: 200000 Euro beträgt das jährliche Defizit – für jedes automatische Parkhaus, sagt Kannenberg.

Insgesamt hat das vermeintliche Zukunftsprojekt nach SWT-Angaben seit Bestehen bis 31. Dezember 2015 einen Verlust von 13,8 Millionen Euro eingefahren, davon 8,2 Millionen Euro Abschreibungen der Bauinvestitionen. Bleiben 5,6 Millionen Euro für Instandhaltung, Wartungs- und Serviceeinsätze des externen Dienstleisters, eigene Personalaufwendungen, Ersatzteile und mehr, um die Parkhäuser in einem betriebsfähigen Zustand zu halten. Kein Wunder, dass Kannenberg zu dem Schluss kommt: „Wir wollen sie aufgeben.“ Der Schrecken soll nicht mehr länger ohne Ende sein. Waren die Hüter des Umgangs mit Geld schon aktiv? „Nein, der Rechnungshof hat sich nicht gemeldet.“

Bei der Verantwortung verweisen die Stadtwerke auf ihre Rolle als Betreiber. Am Entscheidungsprozess zum Bau der Parkhäuser seien sie nicht beteiligt gewesen, erklärt Kannenberg. Und warum sind die SWT nicht schon früher ausgestiegen wie andere Städte? Zürich beispielsweise gab nach nur sechs Wochen auf. Seit 2003 seien die Stadtverwaltung und der Aufsichtsrat regelmäßig über den Zustand der automatischen Parkhäuser informiert worden, sagt Kannenberg. „Gemeinsam mit der Stadtverwaltung haben wir uns frühzeitig um mögliche Alternativen bemüht.“ Doch habe man keine passenden Flächen in Tübingen gefunden. Der SWT-Geschäftsführer dazu: „Ohne Alternativen war und ist der Betrieb der automatischen Parkhäuser das ‚kleinere Übel‘. Die Parkhäuser komplett – ohne alternative Stellplätze – zu schließen, kam nicht in Frage.“

Zu retten ist bei den automatischen Parkhäusern auch baulich nicht viel. Wegen der niedrigen Deckenhöhe und der fehlenden Auffahrten lassen sie sich nicht in konventionelle Parkhäuser umwandeln. Die Stadtwerke wollen deshalb beide Gebäude an Investoren verkaufen, sagt Kannenberg. Die könnten dann die konventionellen unteren Parkebenen erhalten und den Rest darüber abreißen, um beispielsweise Wohnungen zu bauen. Im Loretto könnten so 35 Parkplätze bleiben. Die 230 im automatischen Parkhausteil würden entfallen. Allerdings nicht ersatzlos.

Die SWT haben nämlich endlich Alternativen gefunden. Für die Neubauten am Hechinger Eck (wir berichteten) ist eine Tiefgarage mit 300 bis 350 Stellplätzen vorgesehen. Davon seien aber nur etwa 100 für die Bewohner dort nötig, sagt Kannenberg. Es gebe also ausreichend Platz für die Bewohner des Loretto-Viertels – in Fußweite. Stellfläche gewinne man auch durch ein dynamisches Konzept: Einzelne Nutzer hätten keinen festen Stellplatz mehr. Es gebe stattdessen Bereiche. Dadurch erhoffen sich die Stadtwerke weniger Leerraum. Denn erfahrungsgemäß seien nicht alle Parkberechtigten gleichzeitig da. In den nächsten zwei bis drei Jahren soll die Tiefgarage am Hechinger Eck fertig sein.

Drei bis vier Jahre wird die Ersatzlösung für das Französische Viertel dauern, rechnet Kannenberg. Die SWT wollen gegenüber ihrer Zentrale in der Eisenhutstraße ein konventionelles Parkhaus mit 300 bis 400 Plätzen errichten. Einziger Haken: Das Gelände, auf dem jetzt die Straßenmeisterei des Landkreises ist, gehört diesem. Die Gespräche von Kreis und Stadt seien aber so weit, dass Kannenberg vom Gelingen ausgeht.

Für das Hechinger Eck sehe es gut aus, bestätigt Baubürgermeister Cord Soehlke. Nächstes Jahr gehe es in die Planung. Beim Französischen Viertel werde es wohl drei Jahre dauern. Ein neues Parkhaus soll sich in die langfristigen Planungen der Stadt für den Bereich fügen. Wie berichtet soll, wenn der Durchgangsverkehr irgendwann durch einen Schindhautunnel fließen sollte, die Stuttgarter Straße beruhigt und das Gelände gegenüber den SWT überplant werden.

Die Parkebenen des automatischen Loretto-Parkhauses. Bild: Sommer

Die Parkebenen des automatischen Loretto-Parkhauses. Bild: Sommer

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Erstellt:
30.08.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 22sec
zuletzt aktualisiert: 30.08.2016, 01:00 Uhr

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