Angelika Bachmann über Hochschulpolitik

Die Selbstverwaltungsabschaffungsmethode

Die Methode funktioniert eigentlich zuverlässig: Man muss Menschen nur unermüdlich im Hamsterrad antreiben, sie mit allen möglichen Dingen beschäftigen, dann denken sie nicht mehr darüber nach, was man anders machen könnte.

27.10.2017

Von Angelika Bachmann

Seit die Finanzierung deutscher Universitäten zu großen Teilen über Drittmittel geschieht – die man einwerben muss – gibt es auch in Tübingen viele Hamsterräder. Frage ich Wissenschaftler: „Worüber forschen Sie derzeit?“, kommt oft die Antwort: „Ach, ich schreibe gerade einen Antrag zu einem Projekt ...“. Manche sagen, das sei mittlerweile das Aufwändigste am Forschen: den Antrag zu schreiben.

Wie viel Energie wird darauf verwandt, Fördertöpfe aufzutun, Floskeln für Hochglanzbroschüren zu produzieren und sich zu überlegen, wie man seine Forschung dressieren könnte, um auf Ausschreibungen zu passen? Dazu kommt das ständige Konkurrenzgerangel um die Plätze in Rankings und natürlich um den Exzellenzstatus.

Was macht das mit einer Universität? Den Wissenschaftlern und den Studierenden? Der Forschung? Es gibt keinen Ort mehr, an dem darüber an der Universität öffentlich diskutiert wird. Für die strategische Entwicklung sind das Rektorat und der Universitätsrat zuständig. Der Senat, in dem Professoren, Mittelbau und Studierende vertreten sind, hat sich das Diskutieren längst abgewöhnt. Er ist zu einem Akklamationsgremium von sehr erfolgreichen Wissenschaftsmanagern geworden.

Ohne Zweifel: Die Tübinger Universität hat sich in Rankings nach oben gearbeitet, der Exzellenz-Status schwemmt viel Geld an die Uni. Der baden-württembergische Verfassungsgerichtshof hat nun das Stuttgarter Wissenschaftsministerium darauf verpflichtet, die Mitwirkungsrechte von Hochschullehrern an der Selbstverwaltung und die Wissenschaftsfreiheit wieder zu stärken. Die Rektorate und der Hochschulrat (der mit Externen besetzt ist und unter Ausschluss der Öffentlichkeit agiert) waren den Richtern zu übermächtig geworden.

Im Wissenschaftsministerium hat man deshalb ein neues Gesetz mit dem schönen Titel Hochschulrechtweiterentwicklungsgesetz (HRWeitEG) auf den Weg gebracht. Zähneknirschend. Dabei hätte sich Wissenschaftsministerin Theresia Bauer wirklich nicht über das Urteil des Verfassungsgerichtshofs mokieren müssen („es atmet den Geist der 60er Jahre“). An der Hochschule interessiert sich ohnehin kaum noch jemand für Gremienwahlen, geschweige denn für Gremienarbeit. Oder für die Diskussion über die Hochschulentwicklung. Nicht mal die Studierenden, denen die grün-schwarze Landesregierung übrigens das allgemeinpolitische Mandat wieder entziehen will, nachdem es 2012 erst eingeführt worden war. Fast unbemerkt.

Jetzt sollen also im Senat künftig noch die Doktoranden mit einer eigenen Gruppe vertreten sein. Ob diese es schafft, Diskussionslust in die Selbstverwaltungsgremien zu tragen? Daran darf gezweifelt werden. Viele Doktoranden leben von befristeten Drittmittelverträgen. Das schafft Abhängigkeiten und Unsicherheit – nicht gerade ein Nährboden für kreative Streitlust. Attempto? War gestern. Heute geht es um Vermarktung und Akquise!