Die Schüler der Madame Anne

Die Schüler der Madame Anne

Leichtfüßiges Drama um eine Lehrerin an einer Pariser Brennpunkt-Schule und ihre nur anfangs widerspenstigen Schüler.

11.11.2015

Von Klaus-Peter Eichele

Die Schüler der Madame Anne unterscheiden sich nicht groß von ihren Altersgenossen aus dem deutschen Doppelerfolg „Fack ju Göhte“. Der Unterricht interessiert die vorwiegend aus Einwandererfamilien stammenden Jugendlichen einer Pariser Vorstand nur insofern, als dass man sich dort ungestört die Fingernägel lackieren oder am Handy daddeln kann. In den Pausen gehen sie sich dann gern mal an die Gurgel.

Madame Anne, ihre Klassenlehrerin, ist allerdings von anderem Kaliber als ihr deutsches Pendant Zeki Müller (Elyas M’Barek). Obwohl schon seit 20 Jahren im Schuldienst, ist die Pädagogin (Ariane Ascaride) hochmotiviert und keinesfalls gewillt, auch nur einen ihrer Schützlinge durch den Rost fallen zu lassen. Dass ihre aktuelle Klasse als hoffnungslos gilt, weckt erst recht ihren Ehrgeiz. Allen Ernstes schlägt sie vor, der disziplinlose Haufen möge sich an einem nationalen Schülerwettbewerb zum Thema Holocaust beteiligen. Anfangs ist die Begeisterung am Nullpunkt, beim ersten Treffen wird noch über Gaskammern gewitzelt, doch schon nach kurzer Zeit recherechiert ein Großteil der Klasse mit Feuereifer im Internet und in Museen und lauscht erschüttert den Erzählungen eines KZ-Überlebenden. Am Ende haben sie nicht nur eine Geschichtslektion, sondern auch fürs Leben gelernt: wie wichtig Toleranz im Alltag ist und dass auch Menschen, die eigentlich keine Chance haben, gemeinsam Großes leisten können.

Wie so viele aktuelle französische Filme stilisiert auch „Les héritiers“ (Originaltitel) die Schule zum Bollwerk gegen die soziale Verwahrlosung der Banlieues, die deren junge Bewohner in die Perspektivlosigkeit, in die Kriminalität oder im Extremfall in den Terrorismus treibt. So schönfärberisch wie hier wird dieser Wunschgedanke allerdings selten vermittelt.

Die von einer wahren Begebenheit inspirierte Wandlung der wilden Gettokids zu wertvollen Gliedern der Gesellschaft geht im Film dermaßen hopplahopp, dass man sie kaum glauben mag. Das liegt auch daran, dass sich Regisseurin Marie-Castille Mention-Schaar für die Persönlichkeiten und das Alltagsleben der Jugendlichen kaum interessiert – sie erfüllen lediglich ihre Rollen als gelehrige Schüler. Konfliktherde, wie etwa die Obstruktionsversuche eines islamistisch angehauchten Mitschülers, werden kurz angerissen und wieder weggeblendet. Denn mit ihrem schier übermenschlichem pädagogischen Vermögen bringt Madame Anne alle und alles zurück in die staatstragende Spur.

Imagefilm für die integrative Kraft des Schulsystems. Zu simpel, um wahr zu sein.