Uschi Hahn über die Ammertalbahn

Die Schiene der Ölsardinen

Kennen Sie den? Sagt ein Pendler zum anderen: „Ich bin heute früh mit der Ammertalbahn gefahren.“ Fragt der andere: „War sie pünktlich?“. Die Antwort: „Nö, aber ich hatte einen Sitzplatz.“

15.11.2017

Von Uschi Hahn

Ein Zug der Ammertalbahn kommt aus dem Tunnel vom Westbahnhof her und fährt Richtung Hauptbahnhof auf den Bahnübergang am Fuß- und Radweg hinter dem Wildermuth-Gymnasium in Tübingen. Bild: Schweizer

Ein Zug der Ammertalbahn kommt aus dem Tunnel vom Westbahnhof her und fährt Richtung Hauptbahnhof auf den Bahnübergang am Fuß- und Radweg hinter dem Wildermuth-Gymnasium in Tübingen. Bild: Schweizer

Zugegeben: Es ist etwas gemein, die Jahr für Jahr von mehr Pendlern genutzte Zugverbindung zwischen Tübingen und Herrenberg auf ihre Pannen zu reduzieren. Aber es gibt genug Fahrgäste, die das alles nicht zum Lachen finden: Immer wieder gibt es auf der Strecke Verspätungen. Immer wieder fährt auch zur Hauptverkehrszeit nur ein Wagen vor. Dabei warten so viele Berufstätige und Schüler an den Bahnhöfen, dass sie auch in zwei Waggons noch stehen müssten. „Wie die Ölsardinen“ werde man zusammengepfercht, „schlimmer als bei einem Viehtransport“ gehe es zu, lauten die immergleichen Beschwerden.

Fragt man beim Zweckverband für den ÖPNV im Ammertal nach, der für die von den Landkreisen Tübingen und Böblingen getragene Ammertalbahn zuständig ist, bekommt man stets die gleichen Antworten. Man habe bei der Bahntochter Regionalverkehr Alb Bodensee, kurz RAB, mehr Wagen bestellt, man bemühe sich um Pünktlichkeit, man streite mit der Region Stuttgart um Verbesserungen beim Anschluss an die S-Bahn in Herrenberg …

Und ja, das alles stimmt. Tatsächlich hat der beim Landkreis Tübingen angesiedelte Zweckverband in den vergangenen Jahren Millionen Euro investiert, um die Technik und die Sicherheit auf der Strecke zu verbessern. Richtig ist auch, dass bei den bestellten Kapazitäten immer wieder nachgebessert wurde. Ebenso wahr ist, dass Pannen wie der kürzlich von einer Maus verursachte Kurzschluss, der die Züge zwei Wochen lang mitten auf der Strecke ausbremste, nie ganz auszuschließen sind. Auch die Kooperationsbereitschaft der Stuttgarter Verkehrsplaner lässt sehr zu wünschen übrig.

Aber wahr ist eben auch, dass die ausfallenden Triebwagen weiter zum Alltag gehören werden. Denn der Fuhrpark der RAB ist alt. Er wurde auf die Schienen gesetzt, als die Ammertalbahn wieder ins Rollen kam: 1999. Entsprechend abgenutzt ist das Material. Für die in die Jahre gekommenen Regio Shuttles der Baureihe 650 sind aber kaum mehr Ersatzteile zu bekommen. So gab es in der vergangenen Woche Ausfälle, weil die Beschaffung neuer Radsätze schwierig war, sagt der RAB-Betriebsleiter Alexander Bleher. Weil nicht genügend Reservefahrzeuge da sind, müsse man eben einzelne Verbindungen „schwächen“, so der RAB-Mann lapidar.

Aber weshalb schafft die Bahntochter dann nicht neue Fahrzeuge an? Ganz einfach: Es lohnt sich nicht. Die RS 650 fahren mit Diesel und sind damit ein Auslaufmodell. Denn als Teil der künftigen Regionalstadtbahn soll die Ammertalbahn elektrifiziert werden. „Alle gehen davon aus, dass die Regionalstadtbahn kommt“, sagt Bleher. Keine Firma, so der Betriebsleiter, würde Millionen für Fahrzeuge ausgeben, die nur wenige Jahre unterwegs sind.

Die Nutzer der Ammertalbahn müssen also bis zum Jahr 2022 durchhalten. Immerhin können sie mit Schadenfreude durchs Zugfenster auf die B 28 schauen: Besser wie die Ölsardinen auf der Schiene rollen, als in der Blechbüchse im Stau nicht vorwärts kommen. Ein bisschen Galgenhumor muss sein.