Die 21. Vesperkirche: Wie in einem richtigen Gasthaus

Die Reutlinger Traditionseinrichtung schafft Essensmarken und Warteschlangen an der Ausgabe ab

Die Reutlinger Vesperkirche ist laut Pfarrer Jörg Mutschler auch im 21. Jahr ein Politikum. Es gehe darum, die Armen nicht alleine zu lassen – und dafür zu sorgen, dass es künftig weniger Arme gibt.

04.12.2017

Von Matthias Reichert

Die Schlange an der Essensausgabe, wie hier im Jahre 2015, soll es künftig bei der Reutlinger Vesperkirche nicht mehr geben. Archivbild: Haas

Die Schlange an der Essensausgabe, wie hier im Jahre 2015, soll es künftig bei der Reutlinger Vesperkirche nicht mehr geben. Archivbild: Haas

Mutschler hat voriges Jahr die Leitung der Vesperkirche von Klaus Kuntz übernommen. Jetzt hat er einige organisatorische Änderungen bei der Traditionseinrichtung durchgesetzt. So sind von diesem Jahr an die langen Warteschlangen an der Essensausgabe Geschichte. „Ob bei der Arbeitsagentur oder fürs Wohngeld: Überall müssen die Bedürftigen anstehen“, sagt Mutschler – aber nicht mehr in der Vesperkirche. Dort werden die Gäste nun, soweit möglich, an den Tischen bedient wie in einem richtigen Gasthof.

Nach dem Vorbild anderer Vesperkirchen im Land werden in Reutlingen auch die Essensbons abgeschafft. Bisher bekamen Bedürftige eine günstige Mahlzeit, während sogenannte Solidaresser mehr bezahlt haben. Doch der Anteil dieser Solidaresser lag zuletzt unter 13 Prozent. Künftig stehen Kässchen auf den Tischen, in die jede/r nach Vermögen einen Beitrag gibt. „Wir wollen das Gute in den Gästen wecken“, sagt Mutschler über den Versuch mit den Kässchen.

Zwischen dem 14. Januar und dem 11. Februar 2018 liefert die Bruderhaus-Diakonie wieder täglich 230 bis 400 Essensportionen in die Nikolaikirche. Die Öffnungszeiten der Vesperkirche werden leicht verlängert (siehe Infobox), außerdem soll es mehr Platz an den Tischen geben.

Ein Essen kostet die Veranstalter 6,33 Euro. Der Gesamtetat der Vesperkirche liegt zwischen 80 000 und 90 000 Euro. Ein beträchtlicher Teil wird auch in diesem Jahr wieder durch Spenden und Sponsoren aufgebracht.

„Die Vesperkirche kann Armut nicht beheben, aber sie sichtbar machen“, sagt Diakonie-Chef Günter Klinger. Die Vorbereitungen laufen bereits seit September. Wie in jedem Jahr sind wieder 260 bis 300 feste Helfer mit dabei. „Wir wollten ja Herrn Schlecker anbieten, ob er dieses Jahr nicht mitmacht“, spielt Mutschler auf das Stuttgarter Bewährungs-Urteil gegen den Drogerieketten-Boss Anton Schlecker an.

Sicher ist aber auf jeden Fall, dass Schüler und Firmenpraktikanten tageweise dabei sind und beispielsweise Vesperbrote schmieren werden. „Wir sind froh über jeden Helfer – manche nehmen extra Urlaub für die Vesperkirche“, berichtet Jutta Kuhk vom Organisationsteam. Wie gewohnt, kommt viermal die Woche ein medizinischer Dienst zur Vesperkirche, außerdem gibt es Sozialberatung. Was jetzt noch fehlt, sind Kuchen –auch hier hoffen die Veranstalter auf reichlich Spenden.

Warme Mahlzeiten, geistliche Impulse und Kultur

Die 21. Reutlinger Vesperkirche öffnet in der Nikolaikirche von 14. Januar bis 11. Februar 2018. Warme Mittagessen gibt es täglich von 11 bis 14 Uhr. Es gibt zur Eröffnung und zum Abschluss jeweils einen Gottesdienst (14. Januar, 11 Uhr, und 11. Februar, 15 Uhr). Außerdem sind täglich gegen 12.30 Uhr geistliche „Atempausen“. Jeweils sonntags um 14.30 Uhr wird außerdem eine Andacht gehalten. An vier Donnerstagen gibt es jeweils um 19 Uhr ein Kulturprogramm: Am 18. Januar läuft der Film „Vaya con dios“, am 25. Januar tritt „Tante Friedas Jazzkränzchen“ auf, am 1. Februar erzählt die Gruppe „Schlosser Hans“ jiddische Lieder und Geschichten, und am 8. Februar unterhalten André Brunet und Holger Schlosser als „Die Entertainer“.

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Erstellt:
04.12.2017, 06:58 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 29sec
zuletzt aktualisiert: 04.12.2017, 06:58 Uhr

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