Waldbühne auf dem Spitzberg
Tübinger Biologen hoffen, dass heimische Tiere in ihre Kamerafallen tappen
Auf leisen Sohlen schleichen sie durchs Unterholz: Wer Dachs, Fuchs und Marder in freier Wildbahn sehen möchte, braucht Geduld, Sitzfleisch und auch ein bisschen Glück. Fachwissen schadet ebenfalls nicht, doch sogar Experten müssen hin und wieder in die technische Trickkiste greifen, um Tiere zu beobachten.
Das gilt umso mehr, wenn Forscher Vögel in den Fokus rücken: Kaum auf einem Ast gelandet, heben sie schon wieder ab, für das Zücken der Kamera bleibt da oft wenig Zeit.
Aus diesem Grund hat Prof. Thomas Gottschalk von der Rottenburger Hochschule für Forstwirtschaft in einem Gemeinschaftsprojekt mit der Uni Tübingen Kamerafallen für Wildtiere in der Region aufgestellt. Seit Februar sind zwischen dem Spitzberg und Wurmlingen um die 20 Kameras aktiv.
Der Spitzberg gilt als sehr artenreich; zwischen der hellen Südseite und der dunklen Nordseite fühlen sich zahlreiche Tier- und Pflanzenarten wohl. Das sind also ideale Forschungsbedingungen für Biologen. „Besonders gefreut habe ich mich über Bilder von Waschbären und Marderhunden, die sieht man nicht so oft“, sagt Prof. Christoph Randler von der Uni Tübingen.
Er gehört zu dem etwa 40-köpfigen Team, das sich die Erforschung der Spitzberg-Fauna zur Aufgabe gemacht hat. „Es machen viele Ehrenamtliche bei der Studie mit und inzwischen gibt es auch schon Bachelor-Arbeiten zum Thema.“ Sobald sich etwas vor der Linse bewegt, macht die Kamera Bilder. Auf diese Weise kam schon viel Bildmaterial zusammen: Mehr als 360000 Fotos lieferten die automatischen Kameras seit Beginn der Aufzeichnungen. Alle paar Tage macht sich der Biologe auf den Weg und sammelt die Fotos ein, um sie anschließend auszuwerten. Die Kameras halten der Witterung bislang gut stand. Zwei Geräte seien zwischendurch ausgefallen, konnten aber wieder repariert werden.
„Geklaut hat zum Glück auch noch keiner was. Aber Menschen kommen dort sowieso kaum vorbei, deshalb laufen uns in der Regel auch keine Passanten ins Bild.“ Falls doch, werden die Fotos umgehend gelöscht, versichert Randler.
Die Waldbewohner reagieren unterschiedlich auf die Bespitzelung: „Füchse schauen interessiert in die Kamera, die hören vermutlich das Klickgeräusch.“ Andere Tiere seien da schon abgebrühter: „Den Wildschweinen ist das völlig egal, aber wir müssen die Kameras hochhängen, weil die Schweine sich sonst die ganze Zeit daran rubbeln.“
Vom gesammelten Bildmaterial erhoffen sich die Forscher gleich mehrere Erkenntnisse: „In dieser Studie versuchen wir einerseits eine Methodenvalidierung, um zu prüfen, ob konventionelle Wildtierkameras für Verhaltensstudien an Vögeln verwendet werden können“, heißt es auf der Homepage der Uni Tübingen. Andererseits solle auch erprobt werden, inwiefern solche Kameras für den anschaulichen Schulunterricht geeignet seien. Denn Langzeituntersuchungen oder nächtliche Beobachtungen gemeinsam mit Schülern und Schülerinnen seien im Schulalltag oft kaum möglich.
Randler war früher selbst Lehrer und unterrichtet nun auch Lehramtsstudierende. „Für die Schule sehen wir hier eine große Möglichkeit.“ Schließlich sei das wahre Klassenzimmer draußen.
Insgesamt geht das Spitzbergprojekt über die Wildtierkameras hinaus. Das Team wertet nicht nur Fotografien aus, sondern zählt unter anderem auch Insekten, Schnecken und Reptilien. Ziel der Studie ist ein umfassender Überblick über die aktuelle regionale Biodiversität.
„Interessant ist auch zu sehen, ob es ökologische Nischen gibt; ob und wie sich die Tiere aus dem Weg gehen“, findet Randler.
Noch das ganze kommende Jahr über sollen die Kameras in der Natur bleiben. Am Ende der Studie wird ein Buch mit den Ergebnissen und vielen Bildern der Kamerafallen erscheinen.