AfD

SWP-Leitartikel: Die Konkurrenz hilft

Seit der Gründung der AfD ist der Opfermythos ein wichtiges Identifikationsmerkmal der Partei.

29.07.2021

Von DOMINIK GUGGEMOS

Immer schon haben sich Politiker und Anhänger als Freiheitskämpfer betrachtet, die von den Medien, den anderen Parteien und insgesamt dem Staat klein und stummgehalten werden sollten. Da ist ein bisschen was dran, aber auch nur ein bisschen. Dass die Klage an vielen Stellen lächerlich anmutet, merken die Funktionäre selbst. Doch benötigt die Truppe diesen Opferstatus dringend, weil nur er sie eint. Einen größeren Gefallen als genau diesen Opfermythos zu bestätigen, kann die politische Konkurrenz der AfD also nicht tun.

Und doch passiert das regelmäßig. Beispiel gefällig? Als der Kanzlerkandidat der Union sagte, er stimme der AfD ja eigentlich nie zu, aber deren Aussage, dass es nicht „die Wissenschaft“ gebe, sei ein wahrer Satz. Es komme stattdessen, so Armin Laschet, auf den wissenschaftlichen Diskurs an. Aussagen, so richtig wie trivial. Was Laschet nicht vor wilden Attacken von SPD und Grünen schützte. Von „Tabubruch“ war die Rede und dass man der AfD niemals öffentlich zustimmen dürfe.

Offenkundig macht sich keiner, der so redet, Gedanken darüber, wie das bei der AfD ankommt: als eine Einladung mit Schleife, sich im Opfermythos zu suhlen. Es fällt den AfD-Anhängern nämlich im Anschluss umso leichter, berechtigte Kritik, etwa an rassistischen Entgleisungen innerhalb der Partei, wegzuwischen. Wer Triviales skandalisiert, hat keine moralische Autorität mehr, wenn er sie dringend bräuchte.

Eine ähnliche Fehlleistung erbrachte die Konkurrenz der AfD in Thüringen. Laut Umfragen sind zwei Drittel der Wähler für Neuwahlen, um das politische Chaos zu beenden. Es sind wohl auch mehr als die benötigten zwei Drittel der Abgeordneten im Landtag dafür. Und doch wird in Thüringen nicht neu gewählt. Warum? Weil die Rot-Rot-Grüne Regierung nur Neuwahlen will, wenn es dafür eine Mehrheit ohne die AfD gibt. Diese Logik ist selbst wohlgesonnenen Menschen schwer zu erklären.

Die AfD erhält so Wahlkampfhilfe der Konkurrenz, die sie auch bitter benötigt, denn aus eigener Kraft bekommt sie nichts gebacken. Akzente im Wahlkampf? Bislang Fehlanzeige. Zwei der bekanntesten Figuren der Partei, Parteichef Jörg Meuthen und Spitzenkandidatin Alice Weidel, machen derzeit vor allem durch Spendenskandale auf sich aufmerksam. In den drei Landtagswahlen in diesem Jahr hat die AfD massiv Stimmen an das Lager der Nichtwähler verloren, weil ihr offensichtlich nicht zugetraut wird, aus der Fundamentalopposition heraus die Verhältnisse zu verändern.

Und, ach ja, die Partei selbst ist tief gespalten in rechtsextreme Fundis und im Vergleich gemäßigtere Realos. Selten seit ihrer Gründung stand die AfD so schwach da. Doch solange die anderen Parteien nicht lernen, den Opfermythos zu entlarven, durch gezielte und sachlich begründete Abgrenzung ohne Skandalisierung von Nichtigkeiten, wird die AfD genug Wähler finden, um zu überleben.

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