Eisschnelllauf

Die Kämpferin kämpft immer weiter

Trotz oder gerade wegen ihres enttäuschenden Olympia-Auftritts peilt Claudia Pechstein schon die Spiele 2022 an. Über 5000 Meter wird sie düpiert.

17.02.2018

Von MANUELA HARANT

Verbissenes Rennen von Claudia Pechstein: Letztlich reichte es für die Berlinerin bei weitem nicht für eine Medaille. Foto: Jung Yeon-Ye/afp

Verbissenes Rennen von Claudia Pechstein: Letztlich reichte es für die Berlinerin bei weitem nicht für eine Medaille. Foto: Jung Yeon-Ye/afp

Gangneung. Claudia Pechstein wird am Donnerstag 46 Jahre alt – ein Alter, in dem viele Menschen in Deutschland bereits schulpflichtige Kinder haben. Doch Claudia Pechstein hat andere Prioritäten: Die fünfmalige Olympiasiegerin im Eisschnelllauf wollte unbedingt in Pyeongchang antreten, um erneut Geschichte zu schreiben. Und einige Rekorde hat sie geknackt. Als erste Athletin fuhr sie zum siebten Mal zu Winterspielen. Noch nie ging eine Eisschnellläuferin 17 Mal über eine olympische Einzelstrecke an den Start. Zudem ist sie die älteste Teilnehmerin bei Olympia im Winter. Doch ein Rekord bleib ihr diesmal verwehrt: Sich zur ältesten Medaillengewinnerin zu krönen. Jüngere Athletinnen, wie die 22 Jahre alte Esmee Visser aus den Niederlanden, waren gestern über 5000 Meter einfach schneller als sie. Ein Grund zum Aufhören nach 26 Jahren im Profisport? Nein.

Im Gegenteil: Der Plan, sich für die Winterspiele 2022 in Peking zu qualifizieren, steht. Und so antwortete die Grande Dame auf dem Eis auf die Nachfrage, ob sie nach ihrem enttäuschenden achten Platz auf ihrer Paradestrecke wirklich weitermachen will, etwas trotzig: „Natürlich. Wenn ich bis dahin noch lebe und mich qualifiziere, fahre ich nach Peking.“

Was aber der Grund dafür war, dass sie ihren Traum von der sechsten Olympia-Medaille in Pyeongchang nicht erfüllen konnte, das blieb an diesem Abend ein Rätsel. „Ich habe ganz gut angefangen von den Rundenzeiten her, so bis zur sechsten, siebten Runde“, erinnerte sich Pechstein nach dem Rennen. „Woran es danach lag, dass ich das Tempo nicht halten konnte, kann ich noch nicht genau sagen“, schien auch die routinierteste Eisschnellläuferin der Welt etwas ratlos: „Für mich hieß es: Siegen oder sterben, aber ich war heute eher sterbend unterwegs.“

In vier Jahren, so Pechstein, gebe es aber ja eine neue Medaillenchance. Wie sie sich da schon direkt nach ihrem dramatischen Einbruch nach etwas mehr als 2000 Metern im Gangneung Oval so sicher sein konnte, bleibt ihr Geheimnis. Denn zumindest gestern lief die medaillendekorierte Konkurrenz in einer eigenen Liga.

Früh war klar, dass Pechstein eine neue Saisonbestzeit laufen müsste, um als älteste Medaillengewinnerin in die Geschichtsbücher einzugehen: Die junge Niederländerin Esmee Visser setzte mit 6:50,23 die goldene Marke. Pechstein, die sich mit hochrotem Kopf und weit geöffnetem Mund über die letzten Runden quälte, lag mit 7:05,43 schließlich meilenweit dahinter.

So viele Mühen für einen achten Platz: Vier Jahre lang hatte sich die dreimalige Olympiasiegerin über 5000 Meter nur auf diesen Moment vorbereitet: Mit einem eigens finanzierten Privatteam um den amerikanischen Coach Peter Mueller kämpfte die „Kufen-Oma“ täglich gegen den Zahn der Zeit. Und sie kämpfte seit ihrer Sperre 2009 wegen auffälligen Blutwerten auch gerichtlich gegen die, die ihre Starts verhindern wollten. Inzwischen scheinen Pechstein allerdings Erfolge auf dem Eis mehr Genugtuung gegenüber ihren Skeptikern zu geben als jeder Richterspruch.

Vielleicht will sie auch deshalb 2022 in Peking wieder an den Start gehen: Allein um ihre „Feinde“, wie sie die Männer im Eisschnelllauf-Weltverband nennt, zu ärgern. Die, die ihr zwei Jahre ihres Sportlerlebens genommen haben. Einen ganz anderen Vorteil hätte es aber auch: Claudia Pechstein könnte dann gleich vor einer besonderen Kulisse im olympischen Dorf ihren 50. Geburtstag feiern.