Finanzierung

Die Immobilienpreise sinken

Zinsanstieg, hohe Baukosten und die Rekordinflation belasten Käufer. Doch gegen einen Einbruch des Marktes sprechen viele Gründe. Die Mieten dürften zudem steigen.

03.01.2023

Von Alexander Sturm, dpa

Es wird weniger gebaut. Das erhöht den Druck auf dem Mietwohnungsmarkt. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Es wird weniger gebaut. Das erhöht den Druck auf dem Mietwohnungsmarkt. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Nach mehr als 12 Jahren Immobilienboom in Deutschland erwarten Experten fallende Preise, aber einen zunehmenden Anstieg der Mieten. Denn mit steigenden Kreditzinsen und hohen Baukosten können sich viele Menschen kein Eigentum mehr leisten oder treten von Bauprojekten zurück. Viele weichen auf Mietwohnungen aus, sodass Mieten kräftiger klettern. Das trifft in Deutschland viele Menschen, da nur rund die Hälfte der Bevölkerung in Eigentum lebt – so wenig wie kaum in einem anderen Land Europas.

Die Position von Kaufinteressenten hat sich etwas verbessert. „Wir sehen auf dem Immobilienmarkt aktuell mehr Angebote und größeren Spielraum für Preisverhandlungen“, sagt Mirjam Mohr, Privatkunden-Vorständin beim Kreditvermittler Interhyp. Im dritten Quartal fielen die Preise für Wohnimmobilien laut Statistischem Bundesamt im Schnitt um 0,4 Prozent zum Vorquartal. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken beobachtete einen Rückgang um 0,7 Prozent – das erste Minus seit 2010. Gemessen am Vorjahresquartal stiegen die Preise, wenn auch gedämpft.

Experten bezweifeln, dass Deutschland vor dem Platzen einer Immobilienblase steht. Der Wohnungsmarkt gilt als robust selbst in Wirtschaftskrisen, denn Immobilien werden oft konservativ und langfristig finanziert – ein Vorteil im Zinsanstieg. So hatten sich viele Käufer die Niedrigzinsen über 10 oder 15 Jahre gesichert. „Anders ist dies in Ländern mit variablen Darlehen wie dem Vereinigten Königreich oder Spanien, dort wirken sich steigende Zinsen unmittelbar auf die Kreditbelastung aus“, heißt es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Als Mitte der 2000er Jahre die Zinsen kletterten, überforderte das viele Amerikaner – die Immobilienblase platzte und löste die globale Finanzkrise aus.

Gegen einen Preiseinbruch in Deutschland spreche auch, dass die Transaktionskosten, etwa für Makler, hoch sind und vor kurzfristigen Verkäufen abschrecken. Preisrückgänge seien vor allem bei Objekten in schlechter Lage oder mit hohem Energieverbrauch zu sehen, meint IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. „Bei hoher oder ordentlicher Energiebilanz sehe ich nicht viel Korrekturpotenzial.“ Dazu kommt, dass Wohnungen knapp bleiben: Seit Monaten beobachtet das Ifo-Institut eine Stornierungswelle im Wohnungsbau. Auch die Nachfrage nach Baufinanzierungen und die Baugenehmigungen sind eingebrochen. Seit Jahresbeginn haben sich die Zinsen für zehnjährige Kredite mehr als verdreifacht. Zusammen mit hohen Baupreisen ist die Belastung für viele Menschen zu groß. Das inzwischen kassierte Ziel der Bundesregierung von 400 000 neuen Wohnungen jährlich galt als utopisch: Der Bauverband ZDB erwartet 245 000 im kommenden Jahr. „Wenn aber eine hohe Wohnungsnachfrage auf ein verknapptes Angebot trifft, stützt das die Preise“, erklärt IW-Experte Voigtländer. Zudem dürfte die Zuwanderung aus dem Ausland, die in der Pandemie einbrach, steigen und die Nachfrage nach Wohnraum vor allem in Städten erhöhen. Die Nachfrage werde sich teils auf den Mietwohnungsmarkt verlagern und dort den Druck erhöhen, heißt es in einer Studie der Landesbank Helaba. Nach einer Phase mit relativ geringen Aufschlägen zogen die Neuvertragsmieten zuletzt mit einem Plus von 5 Prozent wieder stärker an, beobachtet die DZ Bank. „Auf dem Mietmarkt ist ordentlich Druck“, sagt Analyst Lange.

Experten erwarten Korrekturen

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält 2023 einen Rückgang der Immobilienpreise um bis zu 10 Prozent für möglich. Die Forscher beobachten in einer Studie in 97 Städten, dass sich die Preise weiter von den Mieten abgekoppelt haben – ein Zeichen für „spekulative Übertreibungen“. Eine Immobilie habe in Großstädten zuletzt so viel wie 28 Jahresmieten gekostet – ein Rekord seit Mitte der 90er Jahre. Nicht ganz so weit geht die DZ Bank, die einen Preisrückgang von maximal 4 bis 6 Prozent 2023 erwartet. dpa

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Erstellt:
03.01.2023, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 48sec
zuletzt aktualisiert: 03.01.2023, 06:00 Uhr

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