Die Frau, die vorausgeht

Die Frau, die vorausgeht

Eine Malerin beschließt 1889, unbeeindruckt von gesellschaftlicher Konvention den legendären Sioux-Häuptling Sitting Bull zu porträtieren.

03.07.2018

Von Dorothee Hermann

Einst misstrauisch beäugte Begegnungen haben das Zeug dazu, in einer anderen Zeit ganz großes Kino zu werden. Um 1890 hat es das Treffen zwischen der New Yorker Malerin Catherine Weldon (Jessica Chastain) und dem Sioux-Häuptling Sitting Bull (Michael Greyeyes) tatsächlich gegeben. Ihr Porträt des charismatischen Sioux ist erhalten.

Nun hat die britische Regisseurin Susanna White (zuletzt: „Verräter wie wir“ nach John le Carré) die Geschichte der so naiven wie unerschrockenen Pionierin wieder ausgegraben. Die Witwe nimmt in New York den Zug, um Sitting Bull im Standing Rock Reservat in North Dakota aufzusuchen (die reale Mrs. Weldon war geschieden und reiste mit ihrem Sohn). Es ist ein Aufbruch in den mythischen Westen aus weiblicher Sicht und unter Luxusbedingungen (Schlafwagen statt Pferd und Fuhrwerk).

Auf andere Weise marginalisiert ist Sitting Bull, dem mit seinem gesamten Volk die gewaltsame Auslöschung droht. Die wechselseitige Außenseiterposition bedeutet nicht, dass Malerin und Häuptling nicht ihrerseits allerlei Schranken zu überwinden hätten: Es schickt sich nicht, als Frau vor einem Anführer zu gehen. Sie unterstellt, ein Häuptling sei wohl kein Künstler.

Den militärisch aufgerüsteten Statthaltern der US-Staatsmacht sind beide gleichermaßen verdächtig. Doch während Sitting Bull mit Zwangsenteignung und Massakern konfrontiert ist, wirkt es manchmal ein bisschen läppisch, dass Mrs. Weldon zunächst bloß auf Sinnsuche ist (sie entwickelt jedoch schnell ein politisches Bewusstsein für die Entrechtung der Indianer). Für die Intimität einer zivilen Begegnung, und sei es nur zum Modellsitzen, ist es auf dem blutdurchtränkten Schauplatz historisch vielleicht noch zu früh.

Ganz großes Kino ist daraus leider nicht geworden. Dafür dümpelt der Film zu häufig im Sentimentalen. Aber spannend sind solche zu ihrer Zeit nach allen Seiten verdächtigen Konstellationen auf jeden Fall. Eine weitere liefern der Fort-Kommandant und seine indianische Ehefrau, die sogar ihren ursprünglichen Namen abgelegt hat.

Zeigt auf jeden Fall, dass der rabiate Wilde Westen noch ein paar spannende unentdeckte Asse in der Tasche hat.