Weihnachtsengel mit Handicap

Die FLUGPLATZ-Geschichte zu den Feiertagen (Teil 3): die Suppenküche

Der adipöse Weihnachtsengel Mopsael darf erst wieder in den Himmel,  wenn er für seinen Chef Aufgaben erfüllt hat. Heute bekommt er Hilfe dabei.

29.12.2015

Von Sophia Juraschitz

Die FLUGPLATZ-Fortsetzungsgeschichte zu den Feiertagen (Teil 2): Mopsael und die Konkurrenz aus Fernost

Die FLUGPLATZ-Fortsetzungsgeschichte zu den Feiertagen (Teil 2): Mopsael und die Konkurrenz aus Fernost

Ein neuer beschwerlicher Tag mit einer weiteren Aufgabe hat begonnen: Ich stehe pünktlich in der Kälte vor der Suppenküche. Heute soll ich zusammen mit einem Partner Essen an die Bettler in den Straßen austeilen. Alle anderen Zweierteams sind bereits losgezogen – nur ich natürlich warte nach zwanzig Minuten immer noch auf meinen Partner.

Schließlich sehe ich eine Gruppe von Engelspolizisten mit einem leicht trudelnden Engel heranfliegen: Der kleine Kollege ist so zwischen den bulligen Riesen eingekeilt, dass er mir Leid tut, doch dann merke ich, dass sie direkt auf mich zufliegen – und nun tue ich mir selber Leid: Denn die Befürchtung, dass die Polizisten da gerade meinen heutigen Suppenküchen-Partner herfliegen, bestätigt sich nur wenige Sekunden später.

Der größte der Cop-Engel zeigt auf den bemitleidenswerten Trudel-Kollegen und beginnt zu sprechen: „Pass gut auf ihn auf! Wegen seiner unglaublichen Vergesslichkeit und schlechten Orientierung mussten wir ihn schon oft aufgabeln!“

Als ich den kleinen Kerl anschaue, fällt mir plötzlich auf, dass der Engel vor mir eine Kippa trägt. Ein vergesslicher jüdischer Engel also! Das kann ja lustig werden!

„Ich bin Mopsael“, stelle ich mich vor: „Wir sind in einem Team beim Essenverteilen. Wer bist du denn?“

Der Kippa-Engel schaut mich verwirrt an und erwidert: „Nun ja, mein Name ist ... Memorael.“ Ich pruste los. Dann sehe ich die traurige Miene von Memorael und verstumme.

„Das ist die häufigste Reaktion, wenn die Leute meinen Namen hören“, sagt Memorael niedergeschlafen, „und dann merken, wie vergesslich ich bin.“ Mitleid überkommt mich für den Kleinen. Überrascht stelle ich fest, dass ich gerade seit langer Zeit jemand anderen mehr bemitleide als mich selbst.

Wir packen volle Töpfe ein und machen uns auf den Weg in die Innenstadt. „Du musst also wegen deiner Vergesslichkeit die fünf Aufgaben erfüllen?“, frage ich unterwegs.

„Ich glaube, mir ist etwas richtig Blödes passiert,“ erwidert Memorael, „aber ich kann mich einfach nicht erinnern. Vielleicht habe ich vergessen, am Schabbat die Kippa zu tragen oder ähnliches. Was ist bei dir passiert?“

„Ich habe, seit ich diesen Bauch habe, Probleme mit dem Fliegen – also wurde ich vom Chef als nutzlos für Weihnachten betrachtet.“

Unvermittelt bleibt Memorael stehen und sieht mich irritiert an: „Und zu was brauchen wir jetzt die ganzen Töpfe?“

„Das habe ich doch vorhin gesagt“, sage ich etwas enerviert: „Wir sollen zusammen in der Fußgängerzone Essen verteilen.“

Ich bemerke, dass meine Antwort vielleicht etwas grob war. Memorael sieht mich etwas gekränkt an. Weinerlich beginnt er zu sprechen: „So geht mir das immer…“

Ich entschuldige mich für meine ruppige Antwort. Endlich sind wir in der Fußgängerzone angekommen. Ich bin erschöpft, und Schweiß rinnt mir den Rücken hinunter. Wir beschließen, uns zu trennen, damit wir schneller durchkommen. Ich nehme mir einen Topf mit Gemüsereis und einen Stapel Teller und beginne mit der linken Straßenseite. Die rechte Seite will Memorael übernehmen.

Ich komme gut voran und mein Topf leert sich rasch. Als ich etwa die Hälfte des Gemüsereis‘ ausgegeben habe, fällt mir auf: Memorael ist weit und breit nicht zu sehen. Ich stöhne auf und beginne, genervt zu suchen.

Nach einer Weile sehe ich unten am Fluss einen verlassenen großen Topf stehen. Wütend stoße ich einen Fluch aus! Doch Fluchen hilft mir auch nicht weiter. Wenn ich wieder ins Weihnachtsgeschäft will, muss ich Memorael wiederfinden!

Ich komme zu einer Brücke. Von unten höre ich laute Stimmen, dann erkenne ich die Stimme von Memorael. Drei Männer beschimpfen ihn als dreckigen Ausländer und rufen, dass er ihre Steuergelder stehlen würde. Ich beeile mich, unter die Brücke zu kommen. Beim Rennen wackeln meine Speckröllchen, schon bald geht mein Atem stoßweise. „Lasst Memorael in Ruhe!“, schnaufe ich.

„Was mischst du dich denn ein?“, fragt der eine Mann wütend. Einer plötzlichen Eingebung folgend leere ich den Gemüsereis aus meinem Topf über ihre Köpfe.

Der Schuss geht leider nach hinten los. Die drei Männer sind nur noch wütender. Der eine ist allerdings noch ungeschickter als ich – denn er stolpert und fällt rückwärts in den Fluss. Die anderen beiden versuchen, ihn rauszuziehen – und Memorael und ich können unauffällig entkommen.

„Puh, das war knapp!“, ächze ich.

„Was war knapp?“, fragt Memorael, zufrieden neben mir laufend.

Wir machen uns auf den Rückweg in die Fußgängerzone. Da wir keinen Reis mehr übrig haben, ist unsere Arbeit getan. Ich bin meinem Ziel wieder ein Stück näher gekommen.