Weihnachtsengel mit Handicap

Die FLUGPLATZ-Fortsetzungsgeschichte zu den Feiertagen (Teil 2): Mopsael und die Konkurrenz aus Fern

Weihnachtsengel Mopsael ist seinen Heiligenschein fürs erste los: Zu dick für den Job ist er, und auch sonst ist der Chef eher unzufrieden mit seinem Output. Immerhin: Wenn Mopsael ihm seine Hingabe beweist, darf er 2016 wieder zurück ins Team.

28.12.2015

Von Leonie Kommerell

Die FLUGPLATZ-Fortsetzungsgeschichte zu den Feiertagen (Teil 2): Mopsael und die Konkurrenz aus Fern

Ich flattere durch die Landschaft wie eine Hummel, die zu viel gegessen hat. Es ist viel zu warm für diesen Monat. Die Pflanzen keimen sogar schon wieder. Verdammter Klimawandel!

Ich habe heute vom Chef meine erste Aufgabe bekommen: Ich soll eine Kirche bauen. Mir graust davor! Viel zu viel Arbeit. Aber „Wat mutt dat mutt!“, wie wir Engel sagen. Schließlich will ich ja nicht nächstes Jahr schon wieder ausgeschlossen werden bei den jährlichen Weihnachtsgeschichten – nur weil ich schon bei der allerersten Aufgabe gescheitert bin.

So habe ich mich auf die Suche nach einem guten Ort für die Kirche gemacht: Als ich über einen kleinen Gebirgsbach flatterte, habe ich ihn gefunden. Ein paar Weiden streichen mit ihren Ästen über das Wasser und auf der winterlichen Wiese wächst Heidekraut in den verschiedensten Rottönen. Fast tut es mir schon leid, das alles hier bald unter einer dicken Betonschicht für meine moderne Kirche zu vergraben.

Gerade als ich dabei bin, meine Kräfte für den Bau zu sammeln, merke ich, dass ich wohl nicht der einzige Engel bin, der diesen Ort okkupieren will: Ein kleiner Engel in einem orangenfarbenen Gewand sitzt im Schneidersitz und mit einem wütenden Gesichtsausdruck vor mir.

„Was hast du denn vor?!“, giftet mein orangener Kollege.

Ich schrecke zurück. „Ähm, also, ich, ähm“, zögere ich. „Also, ich muss hier etwas bauen.“

Oje, kein besonders sicheres Auftreten. „Es wäre wohl besser, du würdest aufstehen und anderswohin fliegen“, versuche ich es. Doch während ich mir meinen Kollegen genauer ansehe, scheint er mir nicht gerade danach auszusehen, als ob er vorhabe, diesen Ort zu verlassen.

Und so ist es. Schnaubend verschränkt der karottenfarbene Engel seine Arme und verkündet: „Der buddhistische Daka Dolma wird wohl kaum einem hummelähnlichen Engelmoppel Platz machen – nur damit dieser hier die Natur verschmutzt!“

Aha, kein Engel also, sondern ein Daka. Für mich ist das ein und dasselbe.

„Du verstehst nicht“, sage ich: „Ich darf dieses Jahr nicht bei den Weihnachtsgeschäften helfen, weil ich zu viele Plätzchen und Lebkuchen gegessen habe. Unter anderem. Jetzt muss ich einige Aufgaben erfüllen, um wieder in den Dienst des Chefs einzutreten. Dazu gehört eben auch, eine Kirche zu bauen. Und zwar genau hier!“

Im Gesicht des Asia-Engels zeigt sich keine Regung. Vielmehr geht er zum Gegenangriff über: „Als ob mich nur deine Probleme interessieren!“ keift er, wenig buddhistisch. „Hör dir mal meine an: Letzten Januar wollte ich mir endlich einen lang ersehnten Wunsch erfüllen und habe mir einen pinkfarbenen Cadillac Eldorado gekauft. Ich musste doch irgendwie mobil sein! Dem Meister hat das aber aus irgendeinem Grund nicht gepasst, und deshalb durfte ich nicht beim diesjährigen Vesakh im Mai dabei sein, sondern muss stattdessen auch Aufgaben erfüllen.“ Auch ein Ausgestoßener also. „Und diese hier ist meine Letzte“, sagt er: „Ich muss hier einen naturnahen buddhistischen Tempel bauen.“

Ach ja? Und das macht man, indem man auf der Erde sitzt und meditiert? Ungeachtet seines Protests fange ich nun an, die Umgebung nach geeigneten Steinen abzusuchen. Da fängt der kleine Asia-Engel an, große Steine aus dem Flussbett genau auf meinen geplanten Kirchenplatz zu wuchten. Obwohl sein Gesicht bald röter als seine Kutte ist, bin ich doch ein bisschen beeindruckt von seiner Kraft.

Und dennoch: Kommt so ein dahergelaufener Möchtegern-Engel von der Konkurrenz, zerstört mir meinen Plan und besetzt meinen Bauplatz! Wütend funkele ich ihn an. Als ich zum Gegenangriff übergehe und meinerseits einen Flussbettstein neben seinen wuchte – er ist zu meiner Freude ziemlich viel größer als seiner – sieht er aus, als ob er mir gleich an die Gurgel springt. Er läuft zum Bach und holt einen weiteren Stein um seinen lächerlichen Tempel weiterzubauen. Ich antworte auf diese Aktion mit einem weiteren Felsbrocken.

So geht es weiter, bis ich bemerke, dass wir eigentlich zusammen ein Gebäude bauen. Erschöpft lasse ich mich ins Heidekraut fallen und reiße frustriert einen Büschel aus. Der nervige Engel-Daka rennt mir mit fuchtelnden Händen entgegen. „Nicht ausreißen, du Idiot!“, schimpft er: „Das Kraut hat dir doch nichts getan!“

Naturnazi! „Wenn du so auf jedes einzelne Kraut bedacht bist“, rufe ich, „wie kommt es dann, dass du dir dann einen spritfressenden Cadillac Eldorado gekauft hast?“ Er schweigt betroffen. Hah! Das saß!

Mein orangener Kollege setzt sich neben mich. Wie bekommt er das bloß hin, im Meditationssitz zu sitzen?! Gemeinsam sehen wir auf den Rundbau, den wir beide von jeder Seite angefangen haben. Er sieht sogar gar nicht schlecht aus!

Als wir uns ansehen ist mir klar, dass wir beide den gleichen Gedanken haben. Gemeinsam bauen wir in den nächsten Stunden an dem Gebäude. Mit Himmelkraft funktioniert doch alles gleich viel besser!

Als es dunkel ist, sind wir fertig. Vor uns steht eine Mischung aus buddhistischem Tempel und christlicher Kapelle. Die hellen Flusskiesel schmücken die Fassade, das Dach ist mit Erde und Heidekrautpflanzen bedeckt. Die Wände sind mit weißem Kalk verputzt und der Boden mit Schwemmholz ausgelegt. Außerdem hat jeder von uns eine Ecke nach seinen Vorstellungen dekoriert: In der Ecke des Daka sind viele verschiedene Farben und eine goldene Statue. Dagegen ist meine Ecke recht kahl: Ein kleiner Altar aus einem Felsbrocken und ein Kreuz.

Zufrieden stehen wir vor unserem Werk: Nur noch wenige Aufgaben liegen vor mir.