Ertrinken geht schrecklich schnell

Die DLRG rät zu Schwimmkursen – und lebenslanger Vorsicht

„Das klassische Baywatch-Ertrinken mit fuchtelnden Armen und Hilfeschreien gibt es meist nur im Film“, sagt Konrad Steibli (28) aus Wankheim. Er ist gelernter Schwimmmeistergehilfe und bei der Wasserrettung der DLRG im Bezirk Reutlingen/Tübingen als Strömungsretter aktiv. Oft, sagt er, ertrinken Menschen leise und unbemerkt.

17.07.2018

Von Marike Schneck

Vor allem in Seen ist die Gefahr des leisen Ertrinkens wegen der großen Temperaturunterschiede groß. Steibli: Der Körper ist von der Sonne erhitzt, die Gefäße sind erweitert. Gerät der Körper plötzlich in eine kältere Wasserschicht, zieht er sich zusammen. Es kommt zu einer Starre, im schlimmsten Fall zum Kreislaufkollaps. „20 bis 60 Sekunden reichen“, sagt er. Ertrinken geht schrecklich schnell.

Am Samstag starb im Kirchentellinsfurter Baggersee ein 27-Jähriger. Er konnte nicht schwimmen. Der junge Mann war kein Flüchtling. Das hat die Polizei inzwischen bestätigt. Im vergangenen Jahr hatte die DLRG eine deutschlandweite Forsa-Umfrage in Auftrag gegeben: Rund 60 Prozent der Grundschüler und jeder zweite Erwachsene sind nach eigenen Angaben Nichtschwimmer oder schlechte Schwimmer. 2017 sind in Baden-Württemberg laut DLRG 38 Menschen ertrunken: 15 in Flüssen, 17 in einem See oder Teich.

Weniger Schwimmkurse

Steibli wundert das nicht. „Es gibt immer weniger öffentliche Bäder“, sagt er. Deshalb gibt es weniger Schwimmkurse und weniger Schwimmunterricht in der Schule, vielerorts gar keinen. Die DLRG rät, Kinder in der Freizeit frühzeitig ans Schwimmen heranzuführen. „Ein Seepferdchen“, sagt Steibli, „reicht da nicht aus.“ Kinder seien erst dann gute Schwimmer, wenn sie das Jugendschwimmabzeichen in Bronze ablegen können. Erwachsenen, die nicht oder nicht gut schwimmen können, empfiehlt er einen Kurs. Ob bei der DLRG oder in einer privaten Schwimmschule – im Raum Tübingen gibt es viele Anbieter.

Was viele unterschätzen: Luftmatratzen, Schwimmbretter oder Schwimmtiere bieten keine ausreichende Sicherheit. „Sie können Luft verlieren, platzen oder man rutscht runter und geht unter“, sagt Steibli. So wie der 27-Jährige am Samstag: Er war mit zwei Freunden in einem Schlauchboot auf dem Baggersee unterwegs. Dann stiegen die jungen Leute ins Wasser. Schwimmwesten – obwohl in Booten sogar für Schwimmer dringend empfohlen – trugen sie keine. Der 27-Jährige hatte nur ein luftgefülltes Kissen bei sich. Laut Polizei rutschte er ab und ging vermutlich sofort unter. Seine Freunde konnten ihm nicht mehr helfen. Erst am Sonntagmorgen bargen Polizeitaucher den toten Körper.

Nichtschwimmer, sagt Steibli, sollten grundsätzlich nicht in natürlichen Gewässern baden. .„Das ist zu gefährlich.“ Nicht nur wegen der erwähnten Temperaturschwankungen. Die Baggerseen in der Region wie auch die Badestellen am Neckar sind in der Regel nicht überwacht. Nicht nur in Flüssen, auch in Seen gibt es Strömungen, die nicht zu erkennen sind. Neben Wasserpflanzen, in denen man sich verheddern und Panik bekommen kann, können alte Baumstämme im Wasser treiben, Fässer, Tonnen oder alte Arbeitsgeräte am Grund liegen .

Viele überschätzen ihre Kraft

Viele Leute, so Steibli, überschätzen zudem die eigene Kraft und können Entfernungen nicht richtig einschätzen. Anders als im Schwimmbad, wo der Beckenrand mit wenigen Zügen immer erreichbar ist, müssen am See schnell mal 100 Meter zurückgelegt werden. Ganz gefährlich wird’s, wenn Alkohol im Spiel ist. „Mit steigendem Pegel steigen Leichtsinn und Selbstüberschätzung, während die Leistungsfähigkeit sinkt.“ Wenn am See unbedingt gefeiert werden soll, rät Steibli: „Erst schwimmen gehen, dann trinken.“

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Erstellt:
17.07.2018, 20:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 33sec
zuletzt aktualisiert: 17.07.2018, 20:00 Uhr

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