Interview zu Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt

Die Benachteiligungen ist oft sehr subtil

Wir sprachen mit dem Anti-Diskriminierungsberater Björn Scherer über verschiedene Formen von Diskriminierung speziell bei der Wohnungssuche und was sich dagegen machen lässt.

18.11.2017

Von Andreas Straub

Björn Scherer

Björn Scherer

Zusammen mit der Stadtverwaltung Rottenburg bot das Netzwerk Antidiskriminierung Region Reutlingen Tübingen jüngst einen Workshop für Menschen an, die mit Diskriminierung vor allem auf dem Wohnungsmarkt konfrontiert sind. Das TAGBLATT hat mit dem Experten Björn Scherer gesprochen.

Tagblatt: Wann wird jemand bei der Wohnungssuche diskriminiert?

Björn Scherer: Von rassistischer Diskriminierung sprechen wir, wenn Menschen aufgrund von rassistischen Zuschreibungen benachteiligt werden. Das passiert häufig bei der Vergabe von Wohnraum. Ratsuchende berichten, dass Sie aufgrund ihres Akzents, ihres Namens oder ihrer Hautfarbe bei der Wohnungssuche benachteiligt werden. Andere berichten von Belästigungen in der Nachbarschaft, auch das kann unter den Begriff der Diskriminierung fallen.

Darf ein Vermieter nicht mehr
frei entscheiden, wer in seine
Wohnung einzieht?

Sobald Vermieter/innen ihre Wohnungsangebote öffentlich ausschreiben, stehen diese der Öffentlichkeit zur Verfügung. Rechtlich fallen diese Angebote dann unter das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, welches insbesondere bei rassistischen Diskriminierungen sehr weit greift.

Wie sehen die rechtlichen
Grundlagen genau aus?

Wir stützen uns in der Antidiskriminierungsarbeit auf ganz verschiedene Rechtsgrundlagen. Die Wichtigsten sind sicherlich das Grundgesetz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das 2006 verabschiedet wurde. Aber auch die Grundrechte-Charta der EU oder auch das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung der UN sind wichtige rechtliche Pfeiler der Antidiskriminierungsarbeit. In Fällen von Diskriminierung durch Nachbar/innen kann auch das Bürgerliche Gesetzbuch oder gar das Strafgesetzbuch herangezogen werden.

Oft wird der Nachweis von Diskriminierung schwerfallen, oder?

Diskriminierung passiert häufig sehr subtil, wird teils als diffus wahrgenommen. Menschen trauen sich häufig nicht, sich zu beschweren. Sie denken oft, dass ihnen nicht geglaubt wird. Wir möchten Menschen unterstützen, denen Diskriminierung widerfährt. Es gibt durchaus Möglichkeiten diskriminierendes Verhalten nachzuweisen. Mit sogenannten „Testing-Verfahren“ können Indizien für Diskriminierung erbracht werden. Wenn zum Beispiel das Wohnungsangebot für eine Person mit einem deutsch klingenden Namen verfügbar ist, während es für eine andere Person mit einem ausländisch klingenden Namen „bereits vergeben“ ist, dann kann das als Indiz gewertet werden und vor Gericht verwendbar sein.

Sind Flüchtlinge derzeit Ihre
„Hauptkunden“?

Wir beraten alle Menschen, die sich diskriminiert oder benachteiligt fühlen, egal ob wegen ihres Alters, einer Behinderung, der Religion oder Weltanschauung, der sexuellen Orientierung oder Identität, rassistischen Zuschreibungen, ihres Geschlechts oder der sozialen Herkunft. Unter den Ratsuchenden sind auch Menschen, die geflüchtet sind.

Wenn jemand diskriminiert wird: Was kann er oder sie tun?

Wir raten den Menschen, ihr Gefühl ernst zu nehmen, sich Unterstützung zu holen, mit Menschen ihres Vertrauens zu sprechen. Nehmen Sie Bekannte oder Freund/innen mit zu Wohnungsbesichtigungen. Wichtig ist auch, das diskriminierende Verhalten gut zu dokumentieren und sich an spezialisierte Antidiskriminierungsberatungsstellen zu wenden.

Wie können Sie dabei helfen?

Zunächst bieten wir einen Raum in dem die Erfahrungen berichtet werden können, ohne dass diese in Frage gestellt werden. Wir nehmen die Ratsuchenden ernst mit ihren Erfahrungen. Dann entwickeln wir mit den Betroffenen gemeinsam eine Interventionsstrategie. Wir unterstützen sie bei Beschwerden, schreiben zum Beispiel Briefe an die diskriminierenden Stellen und verlangen Stellungnahmen oder Entschuldigungen. Wir unterstützen auch bei vermittelnden Gesprächen oder auch bei rechtlichen Schritten.

Was raten Sie speziell im angespannten Wohnungsmarkt: Wie soll sich jemand zum Beispiel mit einem ausländisch klingenden Namen verhalten?

Ich habe von Leuten gehört, die lieber den Partner oder die Bekannte mit dem Deutsch klingenden Namen anrufen lassen, oder eben Bekannte oder Freund/innen mit zu den Vorstellungsgesprächen nehmen. Ich würde mir wünschen, dass diese Frage eher in Richtung Vermieter/innen gerichtet wäre, dann könnte ich an dieser Stelle raten: Überprüfen Sie ihre eigenen Haltungen, Vorannahmen, schulen Sie Ihr Personal im Bereich Antidiskriminierung und schreiben Sie den Schutz vor Diskriminierung in die Leitbilder und Hausordnungen. Dann würden die Menschen mit den ausländisch klingenden Namen bei der Wohnungssuche vielleicht weniger Benachteiligung erfahren.

Zur Person

Björn Scherer (39) hat Politik und Soziologie studiert. Er wohnt in Tübingen und ist einer von drei Anti-Diskriminierungsberater/innen beim Netzwerk Antidiskriminierung Region Reutlingen Tübingen, das mit Landes- und Bundesmitteln und mit Mitteln der Stadt Tübingen finanziert wird. Bild: Straub