„Geburtenkontrolle für Afrika“

Die AfD macht Wahlkampf im Ofterdinger Schützenhaus / Kandidat Rölle peilt 18 Prozent an

Die Tübinger AfD hatte am Dienstag zum Infoabend mit Landtagskandidat Markus Rölle ins Schützenhaus Ofterdingen geladen. Einige der 18 Anwesenden vertraten deutliche Positionen.

10.03.2016

Von Julian Jochen-Warth

Ofterdingen. „Das plötzliche Schneetreiben hindert sicher viele daran, hierher zu kommen“, kommentiert Thomas Becker, Ersatzkandidat der AfD für den Wahlkreis Tübingen, das spärliche Interesse am Wahlkampfabend der Alternative für Deutschland in Ofterdingen: Der Saal des Schützenhauses ist mit über 60 Plätzen ambitioniert bestuhlt. Tische und Rednerpult sind weiß betucht. Einkaufswagenchips mit D-Mark-Prägung auf der einen und Parteilogo auf der anderen Seite und AfD-Kugelschreiber laden zum Zugreifen ein.

Allmählich tröpfeln einige Anhänger herein: Begrüßungen erfolgen mittels Handschlag oder Umarmung. Josef Goldberg, Schatzmeister des AfD Kreisverbands Tübingen, nutzt die verbleibende Zeit bis zum Beginn, um Störungen im Wahlkampf der Partei anzuprangern: „Die Mittel des politischen Gegners stehen nicht mehr auf dem Boden der Demokratie“, findet Goldberg: „Keiner von der AfD hat jemals ein Wahlplakat beschmiert oder zerstört. Das macht nur die Antifa und die Grüne Jugend. Die stecken unter einer Decke.“

Landtags-Kandidat Markus Rölle zeigt sich vorsichtig optimistisch, was den Ausgang der Wahl anbelangt: „Abgerechnet wird am Sonntag. Bis dahin kann man gar nichts sagen.“ Seinen Anspruch formuliert der ehemalige Finanzbeamte, dessen frühere politische Heimat die FDP war, mit einem Zitat Jürgen Möllemanns: „Alles unter 18 Prozent verstehe ich als persönliche Beleidigung.“

Seine Rede im Ofterdinger Schützenhaus beginnt Rölle mit einem Resümee des bisherigen Wahlkampfs: Er lobt den neuen Internetauftritt, weist auf in Rottenburg und Ofterdingen gebuchte Leuchtreklamen hin und darauf, dass man Plakate-Zerstörer angezeigt und sich zudem aktiv mit der Presse angelegt habe. Lob und Dank bekommen sowohl Wolfram Schillinger, der gemeinsam mit Rölle die Doppelspitze des Kreisverbandes bildet und Josef Goldberg (für seine „harte Art“), sowie Gerald Schiebold: Der Nehrener fährt seit Wochen ein großes AfD-Plakat auf dem Dach seines Citroën spazieren. Zur Position der AfD im Parteienspektrum meint Thomas Becker: „Boris Palmer ist uns deutlich näher als die CDU.“

Die anschließende Diskussionsrunde wird von Gabi Priester mit einem Kompliment an das zuvor noch kritisierte TAGBLATT eröffnet: „Alle meine Leserbriefe wurden bisher gedruckt“. Dies indes will eine andere Zuhörerin nicht bestätigen – und sie habe deshalb gar ihr Abo gekündigt: „Das läuft jetzt auf meinen Mann“, meint die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Landespolitische Themen indes finden kurz vor der Wahl in der Runde kein Echo. Die Flüchtlings-Situation ist das beherrschende Thema des Abends: Eine Frau befürchtet Wählerschwund zu Lasten der AfD – aufgrund der Einigung mit der Türkei bezüglich der Rücknahme von Bootsflüchtlingen.

Ein Mann, der aus beruflichen Gründen anonym bleiben möchte, wie er gegenüber dem TAGBLATT sagt, hält eine starke AfD für den einzigen Garanten einer schnellen Integration politisch Verfolgter. Josef Goldberg hält dagegen: „Die Integration ist aufgrund der Sprache und Kultur nahezu unmöglich. Das Niveau unserer Schulen wird immer weiter sinken“, schiebt er noch nach, bevor der Zwischenruf „Und die Grünen schicken ihre Kinder dann alle auf Privatschulen“ allgemeinen Zuspruch findet.

Zweitkandidat Becker befürwortet eine begrenzte und gesteuerte Form der Migration. Allerdings nicht für alle: „Alle geißeln die Zäune, die jetzt in Europa gebaut werden. Dabei gibt es diese in den EU-Enklaven schon lange. Dort müsste man Lager nach Europäischen Standards und mit Status von UNO-Schutzzonen errichten. In denen könnten die Menschen bleiben und wären sicher.“

Im Ofterdinger Schützenhaus, wo am kommenden Wahl-Sonntag auch die Wahlparty der AfD stattfinden wird, hält eine AfD-Sympathisantin deutlichere Worte für angemessen: „Früher hat man in Kauf genommen, dass Völker, die sich zu stark vermehren, von Hungersnöten und Kriegen wieder dezimiert werden. Heute überleben die alle.“ Becker widerspricht hier: „Die Ressourcen der Erde reichen, um alle Menschen in Zukunft zu ernähren. Im Zweifelsfall müssen wir uns eben mit Plankton oder Nahrung aus dem 3D-Drucker versorgen.“ Eine „verbindliche Geburtenkontrolle für Afrika“ hält aber auch Thomas Becker für sinnvoller, als sich um eine „Klimaerwärmung zu kümmern, die es gar nicht gibt“, so der Zweitkandidat.

Landtagskandidat Markus Rölle hat fast die ganze Zeit über schweigend am Rednerpult gestanden, nur gelegentlich zustimmend genickt. „Achten sie darauf was sie schreiben. Ich bin nachtragend“, gibt er dem Journalisten noch mit auf den Heimweg.

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Erstellt:
10.03.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 08sec
zuletzt aktualisiert: 10.03.2016, 01:00 Uhr

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