VfB Stuttgart

Die Abwehr geht am Stock

Trotz Verletzungen in der Innenverteidigung ist die Rückkehr des aussortierten Ex-Nationalspielers Holger Badstuber keine Option beim Bundesliga-Aufsteiger.

26.10.2020

Von STN

Marc-Oliver Kempf vom VfB Stuttgart muss verletzt vom Platz. Vereinsarzt Raymond Best begleitet den Abwehrspieler.  Foto: Tom Weller

Marc-Oliver Kempf vom VfB Stuttgart muss verletzt vom Platz. Vereinsarzt Raymond Best begleitet den Abwehrspieler. Foto: Tom Weller

Geht es um das Ressort Innenverteidigung im 33?Köpfe großen Kader des VfB Stuttgart, dann ist nach dem 1:1 (1:1) gegen den 1.?FC Köln vom Freitagabend viel von harten Hunden, kompromisslosen Kämpfern, von einer gerissenen Ohrmuschel, Blut auf dem Trikot und diversen Nadelstichen die Rede gewesen. „Es ist schon ein unglücklicher Umstand, dass sich die Verletzungen bei uns zurzeit nicht über den Kader verteilen, sondern dass es immer einen Mannschaftsteil besonders trifft“, sagt der VfB-Sportdirektor Sven Mislintat zu der Tatsache, dass nach dem Ausklingen einer Verletzungswelle bei den Außenstürmern, Roberto Massimo, Erik Thommy, Nicolas Gonzalez und Co. nun mit Blick auf die Auswärtspartie am nächsten Freitag (20.30 Uhr) beim kriselnden FC Schalke 04 die Defensivzentrale der Stuttgarter stark gebeutelt ist.

So riss bei einem Kopfball-Zweikampf nach zwanzig Spielminuten bei Ex-Kapitän Marc Oliver Kempf die Ohrmuschel, was unmittelbar danach einiges an Verwirrung in der Stuttgarter Defensive auslöste. „Er hat ansonsten ein super Spiel gemacht“, lobte Sven Mislintat den zentralen Abwehrmann Atakan Karazor, dessen ungestüm geführter Zweikampf letztlich den Ausgleich des FC per Elfmeter zur Folge hatte. Als dann Marcin Kaminski für Kempf aufs Feld kam, war die letzte Defensiv-Reserve aufgebraucht – der VfB hatte keinen Abwehrspieler mehr auf der Bank sitzen.

Ein Umstand, der sich gegen Schalke vielleicht nur unwesentlich bessert – denn die Personallage bleibt angespannt, trotz aller Nehmerqualitäten der Stuttgarter Abwehrrecken. Denn ob der wackere Kempf, dessen Ohr mit diversen Stichen genäht wurde, auf Schalke tatsächlich einsatzfähig ist, bleibt bei allem Optimismus seitens des Sportdirektors Mislintat („Er steckt das weg“) zumindest fraglich. „Er hatte Probleme mit dem Sehen“, sagte der VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo, was auf eine leichte Gehirnerschütterung hindeutet.

Aton gegen Schalke dabei?

Klar ist zudem, dass der Neuzugang Konstantinos Mavropanos weiter ausfallen wird – auch wenn Sven Mislintat nach dem Meniskusriss des Griechen sagt: „Bei Dinos ist es so, dass es Gott sei Dank nicht auf eine viermonatige Ausfallzeit hinausläuft.“ Das Ziel des VfB ist es dank der beschleunigten Genesung des 22-Jährigen nun, die Leihgabe vom FC Arsenal bis zum Heimspiel gegen den FC Bayern am 28.?November wieder spielfit zu bekommen.

„Man hat so die leise Hoffnung, dass es für Schalke reichen könnte, denn der Waldi ist ein harter Hund“, sagt Mislintat derweil über seinen Abwehrchef Waldemar Anton, der nach einem Bänderriss im Sprunggelenk ursprünglich noch ein, zwei weitere Wochen pausieren sollte. Nun soll der Ex-Hannoveraner beim Gastspiel in Gelsenkirchen zumindest auf der Bank sitzen. Schließlich ist mit Maxime Awoudja noch ein weiterer Innenverteidiger des VfB nach einem Achillessehnenriss seit Monaten draußen, während sich das junge Eigengewächs Antonis Aidonis beim 2:2 des VfB II in der Regionalliga Südwest gegen Kickers Offenbach – der VfB kassierte dort den Ausgleich in letzter Sekunde – mit einem Einsatz über 90 Minuten für mehr empfahl.

Einem Spiel übrigens, bei dem der in die Zweite zwangsversetzte Ex-Nationalspieler Holger Badstuber, der einer der Topverdiener bei den Stuttgartern ist, noch nicht einmal im Kader stand. Wegen leichter Oberschenkelprobleme, wie es hieß. Aber auch, weil jüngere Spieler mehr Einsatzzeiten bekommen sollen.

Badstuber aufgrund der Verletzungssorgen in der Abwehrzentrale aber wieder für die Bundesliga zu reaktivieren – dies ist kein Szenario, mit dem sich Pellegrino Matarazzo beschäftigt. Also lässt der VfB-Cheftrainer die Frage, ob die aktuelle Lage womöglich eine zweite Chance für den 31-jährigen Badstuber beinhalte, mit den Worten „Der Kempfi ist schnell wieder fit“ mehr oder weniger unbeantwortet.

„Holger bleibt im erweiterten Kreis. Es ist aber noch sehr weit weg, darüber nachzudenken, ihn zurückzuholen“, sagt derweil der Sportchef Mislintat, für den ein Bundesliga-Comeback Badstubers ebenfalls das letzte Mittel der Wahl darstellt. Wohl auch deshalb, weil der langjährige Bayern-Verteidiger mit seiner rauen Art vor seiner Demission der Entwicklung einiger VfB-Youngster auf dem Trainingsplatz im Weg gestanden haben soll.

„Es gibt genug Möglichkeiten, das Problem mit den Verletzungen innerhalb der Gruppe zu lösen – und das ist auch das wahrscheinlichste Szenario“, sagt Sportchef Mislintat für den gar nicht so unrealistischen Fall, dass dem VfB auf Schalke wie über weite Strecken gegen Köln mit Pascal Stenzel, Atakan Karazor und Marcin Kaminski lediglich drei topfitte, arrivierte Kräfte für die Dreierkette zur Verfügung stehen werden.

Eine weitere Option wäre es, den Japaner Wataru Endo von der Sechser-Position in die Defensivzentrale zurückzuziehen. Was die Verantwortlichen beim Bundesliga-Aufsteiger aber vor allem beruhigt: Trotz der vielen Ausfälle war die Abwehr gegen Köln im Vergleich zum eigenen Sturm teamintern der bessere Mannschaftsteil.

Aus dem Tritt geraten

Nach dem Unentschieden gegen Köln sehen die Stuttgarter durchaus Verbesserungspotenzial. „Wir sind von dem Elfmeter ein Stück weit überrascht worden, weil er aus meiner Sicht aus dem Nichts kam“, sagte Trainer Pellegrino Matarazzo. Anschließend geriet der VfB ein wenig aus dem Tritt, hätte aber trotzdem noch gewinnen können.

Unmittelbar vor der Halbzeit hätte der 19-jährige Tanguy Coulibaly die erneute Führung erzielen können, scheiterte aber am überragend reagierenden Horn. Anschließend entwickelte sich ein ausgeglichenes Spiel.