Spendenaktion: Verein hilft Kindern erkrankter Eltern

Diagnose Krebs: Kommt Mama wieder heim?

Plötzlich hatte sie Krebs: Dem TAGBLATT erzählte Kathrin Guckisch, wie sie mit der Diagnose umging. Und wie KIKE ihren Kindern geholfen hat.

27.01.2018

Von Rebekka Schäfer

Leben jetzt viel mehr im Jetzt: Tim, Alexander, Ben, Levi und Kathrin Guckisch (von links). Privatbild

Leben jetzt viel mehr im Jetzt: Tim, Alexander, Ben, Levi und Kathrin Guckisch (von links). Privatbild

Wahrscheinlich gibt es kein Rezept, wie man mit schwierigen Situationen umgehen soll. Wenn der bisherige Alltag auf einmal so weit weg erscheint und jeder Funke „Normalität“ aus dem Leben verschwunden ist, dann funktionieren vertraute Prinzipien nicht mehr.

„Schritt für Schritt und Tag für Tag – etwas anderes blieb uns gar nicht übrig“, sagt Kathrin Guckisch über die Zeit, die für sie und ihre Familie so schwierig war. Im Frühjahr 2016 bemerkte Guckisch anfangs leichte Beschwerden, die sich zunehmend verschlechterten: Probleme mit der Atmung, Schwächegefühl und der drängende Verdacht, mit dem Herzen sei etwas nicht in Ordnung.

Nach mehreren ergebnislosen Besuchen beim Hausarzt wurde die inzwischen 35–Jährige in die Klinik überwiesen – in letzter Sekunde. „Eine Woche später wäre ich tot gewesen“, so Guckisch, denn ein Tumor drückte auf Lunge und Herz und drohte, beide Organe zu verschließen.

Die größte Angst in diesem Moment war die Sorge um die Kinder, sagt Guckisch. Ben und Tim, die Söhne von Kathrin und Alexander Guckisch, waren damals sechs und vier Jahre alt, der dritte im Bunde, Levi, gerade einmal acht Monate. Wie erlebten sie die neue, bedrohliche Situation? Wie gingen sie damit um, und
auf welche Weise konnte man sie unterstützen?

Die Reaktionen der Kinder seien sehr unterschiedlich gewesen, erinnert sich die Mutter. Am Anfang war da der Schockmoment, in dem man die Realität noch nicht zu fassen bekommt. Vor drei Jahren erst war die Oma der Kinder an Krebs gestorben, was für den ältesten Sohn Ben unweigerlich die Verknüpfung von Krebs und Tod mit sich brachte. Er fragte sehr viel nach – im Gegensatz zu Tim, dessen Reaktionen sich indirekter zeigten: „Mit Freunden hat er oft Vater, Mutter, Kind gespielt. Und die Mutter hatte Krebs“, erzählt Guckisch.

Auf einen offenen und ehrlichen Umgang mit den Kindern legten die Eltern großen Wert. „Es war mir das Wichtigste, dass die Kinder wissen, worum es geht und mich besuchen dürfen und sehen: Ich bin noch da.“ Vier Wochen lang war die Frage „Kommt Mama wieder heim?“ nicht zu beantworten.

Anfang Oktober 2016, noch während Guckisch im Krankenhaus behandelt wurde, waren Ben und Tim zum ersten Mal im Kunstatelier von KIKE. In der Therapie, die sie jeweils einzeln machten, ist ganz klar: Der Fokus liegt auf dem Kind. „Unsere Hoffnung auf einen Ort, an dem die Kinder ihre Gefühle und Erlebnisse rauslassen können, wurde erfüllt“, beschreibt Guckisch ihre Erfahrung mit dem Projekt.

Am Anfang wöchentlich, später alle zwei Wochen begleiteten die Kunsttherapeutinnen Jutta Eltgen und Ina Taller die Kinder während und nach der Zeit der Erkrankung der Mutter. „Sie wollten hinterher immer zeigen und erzählen, was sie gemacht haben“, sagt Guckisch. Die Arbeit mit der Kunst habe auch ihr geholfen, das Verhalten der Kinder besser zu verstehen und einzuordnen.

Einmal sei Tim mit einem getonten Männchen mit riesigen Händen nach Hause gekommen: „Damit es die Angst packen kann.“ Gerade in schwierigen Phasen bräuchten die Kinder einen Umgang, der ihnen gerecht wird: „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, die in unserem System funktionieren müssen“, so Guckisch.

Dass Therapie manchmal auch einfach darin bestehen kann, ein Stückchen „Normalität“ zurückzugeben – auch das vermittelten die Kinder dem TAGBLATT: „Es hat einfach Spaß gemacht und uns abgelenkt.“

Inzwischen ist der Tumor vollständig verschwunden, die Chemotherapie hat bei Guckisch sehr gut angeschlagen. „Die Gefahr eines Rückfalls besteht zwar immer“, sagt sie, aber trotzdem stehen die Chancen gut. Was sie als Familie für die Zukunft mitnehmen? „Den Blick mehr aufs Jetzt zu richten. Wir genießen den Alltag.“

Diagnose Krebs: Kommt Mama wieder heim?

Bis Mittwoch können Sie noch spenden

KIKE (Hilfe für Kinder krebskranker Eltern) ist ein Projekt der Krebsberatungsstelle Tübingen. Die Kunsttherapie bietet den Kindern einen Raum, in dem sie sich ausleben können – ohne Vorgaben, aber unter Anleitung der beiden Kunsttherapeutinnen Ina Taller und Jutta Eltgen. Da sich das Projekt nur aus Spenden finanziert, ist es auf Unterstützung angewiesen. Das gilt auch für das Zentrum für seltene Erkrankungen, das zweite Projekt der TAGBLATT-Weihnachtsspendenaktion in diesem Jahr. Bis Mittwoch können sie noch spenden. DE94 6415 0020 0000 1711 11 lautet die IBAN der Kreissparkasse. Bislang sind 117 984,31 Euro für beide Projekte zusammen gekommen.

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Erstellt:
27.01.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 12sec
zuletzt aktualisiert: 27.01.2018, 01:00 Uhr

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