Fußball

Der zahme Wolf hat schwer zu beißen

VfB-Trainer muss schleunigst die akuten Mängel abstellen, die seine Mannschaft offenbart. Es fehlt speziell an den Tugenden, die im Abstiegskampf gefragt sind.

24.01.2018

Von ARMIN GRASMUCK

Taktgeber an der Außenlinie: Hannes Wolf steht seit September 2016 als Cheftrainer des VfB Stuttgart unter Vertrag. Foto: Witters

Taktgeber an der Außenlinie: Hannes Wolf steht seit September 2016 als Cheftrainer des VfB Stuttgart unter Vertrag. Foto: Witters

Stuttgart. Mainz, wie es siegt und lacht – und die Schwaben fertig macht. Der erschreckend schwache Auftritt, den sich die Mannschaft des VfB Stuttgart am Samstag beim 2:3 in dem Bundesliga- Duell mit den Rheinhessen leistete, hat in schauriger Weise an die Partie erinnert, in der vor zwei Jahren der Abstieg des Traditionsklubs aus der Eliteklasse des deutschen Fußballs praktisch besiegelt wurde. Am vorletzten Spieltag der Saison 2015/16 benötigten die Stuttgarter in der Partie zuhause gegen Mainz dringend einen Erfolg. Doch der massive Abwärtstrend, in den sie geraten waren, ließ ihnen keine Chance. Der VfB unterlag 1:3, eine Woche später war der Absturz in die 2. Liga bittere Realität.

Das Bild, das die Stuttgarter im Spätwinter des Jahres 2018 abgeben, ist genauso alarmierend wie die statistischen Fakten, die aus der Tabelle abzulesen sind. Fünf der letzten sechs Partien gingen verloren. Gemessen an den Auswärtsspielen, ist der VfB die schwächste Mannschaft der Bundesliga. Der Vorsprung auf Platz 16, der am Ende der Saison zumindest zu den Relegationsspielen gegen den Dritten der 2. Liga berechtigt, ist auf vier Punkte zusammengeschmolzen. Sogar der 1. FC Köln, im Herbst abgeschlagen Letzter der Tabelle, liegt nur noch acht Zähler hinter dem VfB.

Naturgemäß nährt die aktuelle Talfahrt im Verein und dem Kreis seiner Anhänger die Zweifel an der Arbeit von Hannes Wolf. Der 36 Jahre alte Cheftrainer ist für die ungenügenden Auftritte seiner Elf in den vergangenen Wochen verantwortlich. Es liegt an ihm, die akuten Mängel schnellstmöglich abzustellen.

Der VfB wirkt instabil . „Es war die wahrscheinlich schwächste Leistung in dieser Saison“, sagte Wolf direkt nach dem Schlusspfiff in Mainz. Es schien wie ein Eingeständnis der eigenen Hilflosigkeit. Nach dem Aufstieg in die Bundesliga hatte der Trainer den Fokus bewusst auf die eigene Defensive gerichtet. Aus einer stabilen Abwehr, die ausschließlich darauf ausgerichtet schien, den Spielfluss der Gegner zu stören, versuchte er, zu Punkten zu kommen. In der Praxis zeigte sich jedoch, dass den Stuttgartern jegliche Inspiration auf dem Weg in den Angriff abging. Fehlt, wie zuletzt, die Bereitschaft, aufrichtig zu verteidigen, wird die Abwehr prompt löchrig und anfällig.

Es mangelt an Zusammenhalt. „Gegen Schalke muss jetzt ein Riesenfight kommen“, sagte Wolf mit Blick auf das Heimspiel am Samstag – und bestätigte damit, bewusst oder unbewusst, im Umkehrschluss, dass seine Spieler in Mainz keine echte Einheit waren. Selbst die zentrale Achse mit den erfahrenen Anführern Ron-Robert Zieler, Holger Badstuber, Christian Gentner und Mario Gomez, vermochte den Mitspielern keinen Halt zu geben. Dem VfB fehlen einmal mehr die verlässlichen Strategen wie einst Krassimir Balakov, Zvonimir Soldo oder Pavel Pardo, die das Spiel auf konstant hohem Niveau ordnen und ankurbeln.

Das Konzept bringt keinen Fortschritt. „Wir werden uns in dieser Woche hinsetzen, um uns taktische und spielerische Änderungen zu überlegen“, sagte Michael Reschke, der Sportvorstand des VfB, nach der Niederlage in Mainz. Selbst wenn er es später relativierte: Der erfahrene Spielanalyst hatte registriert, dass die selbstbewusst und kampfstark agierenden Gastgeber den erneut viel zu zaghaften Gästen in allen Belangen überlegen waren. Dagegen fehlen den Stuttgartern speziell im Angriffsspiel offensichtlich der klare Plan und die Qualität, die zu Toren und in der Konsequenz zu Punkten führen.

Die Profis mit dem Brustring haben den Biss verloren. „Zum ersten Mal in dieser Saison hat uns der Gegner über die Faktoren Intensität und Willen den Schneid abgekauft“, so befand Wolf nach der Pleite in Mainz. Es waren alarmierende Worte, die den schlechten Trend untermauern. Just in dieser Phase der Saison, in der die entscheidenden Partien anstehen, lassen die Stuttgarter Spieler die nötige Leidenschaft vermissen. Von der läuferischen Stärke und den aggressiv geführten Zweikämpfen, mit denen der VfB im Herbst noch phasenweise seine Anhänger verzückte und sogar spieltechnisch überlegene Kontrahenten wie Borussia Dortmund niederrang, ist nur noch wenig zu sehen und zu spüren.

Liegt es an der ruhigen, vergleichsweise emotionsarmen Art des Trainers? Es ist zuallererst Wolfs Aufgabe, das Feuer in der Mannschaft neu zu entfachen. Im Heimspiel gegen Schalke, aber auch in den folgenden Partien, in Wolfsburg und zuhause gegen Gladbach, benötigen die VfB-Profis aufrichtigen Siegeswillen, um zu Punkten zu kommen. Anderenfalls drohen ihnen und besonders dem Trainer im Frühjahr höchst unangenehme Wochen.

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Erstellt:
24.01.2018, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 15sec
zuletzt aktualisiert: 24.01.2018, 06:00 Uhr

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