Charlie Watts wird 80: Der uneitle Taktgeber und Streitschlichter

Frankfurt a.M. Die Szene aus dem Konzertfilm „Shine A Light“ (2008) über die Rolling Stones sagt alles. Mick Jagger stellt vor: „Am Schlagzeug: Mister Wang Dang Doodle, Charlie Watts. Willst Du ,Hallo? sagen?“ Charlie Watts schweigt. Dann gibt er ein mundfaules „Hallo“ von sich. Jagger grinst triumphierend in die Kamera: „Er spricht!“

Charlie Watts ist der ruhende Pol, der die selbsternannte „größte Rock-?n?-Roll-Band der Welt“ seit bald 60 Jahren zusammenhält und den Egomanen den Takt vorgibt. Am Mittwoch wird Watts, der Sohn eines Lastwagenfahrers aus London, 80 Jahre alt.

Watts gilt als der heimliche Chef der Band. Seinem diplomatischen Geschick ist es wohl zu verdanken, dass es die Stones noch gibt. Mehr als einmal ist es ihm gelungen, die in inniger Hassliebe verbundenen Streithähne Jagger und Keith Richards wieder zusammenzuführen.

Ein wenig geht es ihm wie Ringo Starr von den Beatles: Sein musikalischer Beitrag wird ziemlich unterschätzt. Mit knochentrockenen Beats liefert er mit britischem Understatement aber genau das, was die Songs der Stones benötigen. Er spielt sich nicht in den Vordergrund, sondern bietet das solide Fundament für seine Mitmusiker. Richards sagte einmal: „Charlie Watts gibt mir die Freiheit, auf der Bühne fliegen zu können.“

Bei vielen Stones-Fans ist Watts besonders beliebt. Der stille Jazz-Fan und Anzugträger leistet sich keine Skandale, ist uneitel und bewahrt sich seine ironische Distanz zum aufgeblasenen Rock-?n?-Roll-Zirkus. Bei Konzerten erhält er als Senior der Band stets einen Sonderapplaus. Während die anderen danach feiern, geht er früh schlafen – seine langjährige Alkoholsucht hat er längst überwunden.

Beginn bei Alexis Korner

1962 hatte der ehemalige Kunststudent und Grafikdesigner Watts seine musikalische Karriere in London in den „Blues Incorporated“ gestartet. Die Band des Sängers und Gitarristen Alexis Korner gilt als eine Keimzelle des britischen Blues-Booms der frühen 60er Jahre und brachte viele prominente Musiker hervor.

Dort traf er auf Jagger und die Gitarristen Richards und Brian Jones, die gerade die Rolling Stones gründeten. 1963 später stieg Watts als Schlagzeuger ein.

Charlie Watts lebt zurückgezogen auf dem Land. Er und seine Frau Shirley, mit der er seit 1964 verheiratet ist und eine Tochter hat, züchten Vollblutaraber. Immer wieder ist er nebenher in Jazz- und Bigband-Projekten aktiv. Gemeinsam mit den Stones zog er 1989 in die Rock?n?Roll Hall of Fame ein.

Auf Platz zwölf führt ihn das Magazin „Rolling Stone“ auf seiner Liste der besten Schlagzeuger aller Zeiten auf. Zurecht, sagt Axel Mikolajczak, ein Mitarbeiter des in Köln erscheinenden Schlagzeug-Magazin „Sticks“: „Er ist ein Pionier und gehört ganz oben hin.“ Er spiele technisch reduziert, aber einfallsreich, anspruchsvoll und mit speziellem Groove. Watts „ist authentisch, das hat Bestand und das fehlt immer mehr in der Musik.“