Ritter Sport

Der süße Traum vom fairen Anbau

Der Schokoladenhersteller hat den Schritt in die Landwirtschaft gewagt. In Nicaragua ist die wohl größte Kakaoplantage der Welt entstanden.

09.03.2018

Von CHRIS IGNATZI

Die erste eigene Kakaobohnen-Ernte von Ritter Sport: Der Schokoladenhersteller betreibt in Nicaragua eine Plantage. Foto: Christian Ignatzi

Die erste eigene Kakaobohnen-Ernte von Ritter Sport: Der Schokoladenhersteller betreibt in Nicaragua eine Plantage. Foto: Christian Ignatzi

Yadira Ramírez steht vor einem Haufen schleimiger Kakaobohnen und wühlt darin. Sie sucht nach Fruchtstücken, die die Fruchtschneidemaschine übrig gelassen hat. Es duftet nach einer Mischung aus Maracuja, Mango und Schokolade. Die Hände der 30-jährigen Nicaraguanerin sind schrumpelig von der Arbeit mit den feuchten Bohnen. Die Kapuzenjacke hat sie hochgekrempelt, die Haare mit bunten Spangen geschmückt. Aus der Hosentasche lugt das Smartphone. Eine Plantagenarbeiterin mag man sich anders vorstellen. „Meine Arbeit hier ist es, darauf aufzupassen, dass mit der Maschine alles läuft“, sagt sie. „Ich schaue nach der Temperatur bei der Trocknung und überwache, wie lang die Fermentation dauert.“

Wenn die Verarbeitung wie jetzt in vollem Gang ist, packt sie beim Aussortieren mit an. Für Yadira Ramírez hat sich durch den Job auf der neuen Plantage einiges geändert. Die junge Frau arbeitete zuvor in der Hauptstadt Managua. Dort war sie für die Qualitätskontrolle in einem Kleidungsunternehmen zuständig. Jetzt verdient sie umgerechnet 18 US-Dollar mehr im Monat. In einem Land, in dem zwei Fünftel der Bevölkerung laut Human Development Index der Vereinten Nationen 2 Dollar oder weniger pro Tag verdient haben, ist das viel. Ritter Sport zahlt seinen Angestellten auf der eigenen Plantage mindestens 20 Prozent mehr als den Mindestlohn von knapp 150 US-Dollar.

Markus Schmid, der auf der Plantage für die Infrastruktur und Weiterverarbeitung verantwortlich ist, erklärt das Konzept der Mitarbeiterförderung: „Wenn ich eine einfache Arbeit ausführe, kann es schon sein, dass ich von meinem Gehalt nicht mehr leben kann.“ Das Ziel sei deshalb gewesen, Arbeitsplätze zu schaffen, bei denen die Menschen mehr Qualifikationen brauchen. Für die meisten bedeutet das learning by doing. „Wir stecken viel Energie in die Bemühungen, unsere Leute so zu qualifizieren, dass sie mehr machen können als Früchte mit einer Machete zu öffnen“, sagt Schmid.

In der Verarbeitungshalle rattert es ohrenbetäubend. Hunderte der rotgelben, footballgroßen Früchte liegen zu einem Berg gehäuft bereit zur Weiterverarbeitung. 6 Tonnen pro Stunde lassen sich durch die patentierte Technik verarbeiten, die in Zukunft auch die Kooperativen nutzen dürfen, mit denen Ritter Sport zusammenarbeitet.

Durch die eigene Produktion bekommt das Unternehmen voraussichtlich günstigeren Kakao als es ihn zu Weltmarktpreisen kaufen könnte. Der ausschlaggebende Punkt für den Einstieg in die Landwirtschaft sei das aber nicht gewesen, betont Ritter-Sport-Chef Andreas Ronken: „Wir wollen beweisen, dass es möglich ist, eine Vorzeigeplantage zu machen, die wirtschaftlich produziert, aber tatsächlich auch im Sinne von Nachhaltigkeit ein Vorzeigemodell ist. Der Nachhaltigkeitsaspekt war zuerst da, wir wollen den Menschen hier eine Perspektive bieten.“

Perspektive, das bedeutet etwa den Bau von Schulen in den umliegenden Dörfern. Fahrer holen die Mitarbeiter zu Hause ab und bringen sie nach dem siebenstündigen Arbeitstag wieder zurück. Dazu gibt es eine Altersvorsorge und eine Krankenversicherung, einen zehnköpfigen Betriebsrat und 30 Tage Urlaub pro Jahr. Auf Wunsch bekommen die Arbeiter Motorräder gestellt, die sie auch privat nutzen dürfen. Dass das für Neid beim Nachbarn sorgt ist eher wahrscheinlich als ausgeschlossen, gibt Markus Schmid zu, aber „so etwas haben wir ja auch in Deutschland, dass die, denen es schlechter geht, die Häuserwände der Besserverdiener beschmieren.“

Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entsteht durch die Großplantage nicht. Schließlich ist die Kakaoproduktion im größten Land Mittelamerikas mit nur rund 2 Prozent der produzierten Kaffeemenge kaum nennenswert. Und was ist mit der Kooperative, die bislang den Kakao für Ritter Sport in Nicaragua lieferte? „Ritter Sport hat uns versichert, dass beide Konzepte völlig unterschiedlich sind und sie die Menge, die sie über unsere Kooperative einkaufen sogar noch steigern wollen“, sagt der Kleinbauer Ernesto Larios Machado. Am Ende profitieren alle.

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Erstellt:
09.03.2018, 08:45 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 53sec
zuletzt aktualisiert: 09.03.2018, 08:45 Uhr

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