Forstwirtschaft

Der schwierige Holzweg

Bei der Konferenz der Umweltminister und im Bundestag steht die Klima- und Ökoleistung des Waldes auf der Tagesordnung. Andere wollen den Wald sich selbst überlassen.

22.04.2021

Von André Bochow

Abgestorbene Fichten in einem Waldgebiet mit gesunden Nadel- und Laubbäumen. Foto: Patrick Pleul/dpa

Abgestorbene Fichten in einem Waldgebiet mit gesunden Nadel- und Laubbäumen. Foto: Patrick Pleul/dpa

Es wird wohl Mitternacht werden, wenn im Bundestag über den Wald gesprochen wird. Jedenfalls sieht der Zeitplan für den heutigen Donnerstag um 23.50 Uhr die Debatte über einen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD vor. Überschrift: „Ein vitaler, klimastabiler Wald nutzt allen – Ökosystemleistungen ausreichend honorieren“. Denn der Wald wird dringend für die CO2-Speicherung, den Wasserhaushalt und die Artenvielfalt gebraucht. Nur fällt es ihm immer schwerer, diese Leistungen zu erbringen. „Drei Dürrejahre, Sturmschäden und Schädlingsbefall haben zu massiven Schäden geführt“ heißt es in dem Text der Regierungsparteien. Bis Mitte 2020 führte das bundesweit zu 178 Millionen Kubikmeter Schadholz, „auf einer Fläche von rund 285.000 Hektar, die wiederbewaldet werden müssen“.

Drei Probleme stehen im Weg

Der sinnvollen Bewaldung stehen drei Probleme im Weg. Da ist zunächst die Struktur des Waldbesitzes. Unter den zwei Millionen privaten und kommunalen Waldeigentümern sind sehr viele Kleinsteigentümer, die oft zu einer vernünftigen Bewirtschaftung nicht in der Lage sind. Zudem erschwert der Verbiss, vor allem durch Rehe, die Aufforstung enorm. Aber das neue Jagdgesetz lässt weiter auf sich warten. Hinzu kommt Geldmangel der Besitzer.

Deswegen wollen die Waldbauern jetzt Geld aus dem Energie- und Klimafonds. Max von Elverfeldt, Bundesvorsitzender des Verbandes Familienbetriebe Land und Forst will aber nicht einfach eine Flächenprämie. „Es kann natürlich nicht sein, dass wir hier Sofa-Waldbauern bekommen. Es geht um die Bewirtschaftung des Waldes und seine Rolle für den Klimaschutz.“ Immerhin habe eine repräsentative Umfrage ergeben, dass 76 Prozent der Bevölkerung für eine Unterstützung des bewirtschafteten Waldes seien. Der Verbandschef für 2000 Familienbetriebe rechnet vor, wofür er die Mittel will. Es geht um den „stofflichen Zuwachs des Holzes“, also um Holz, das im Wald steht, geschlagen und verarbeitet wird und dabei weiter CO2 speichert. Davon wird das Holz abgezogen, das verbrannt wird. „Mit dem festgelegten CO2-Preis von anfänglich 25 Euro würde die Klimaleistungsprämie danach 112,50 Euro pro Jahr und Hektar betragen“, sagt Elverfeldt. Der Finanzplan der Bundesregierung sehe 26,8 Milliarden Euro an Klimaschutzinvestitionen aus dem Energie- und Klimafonds vor. Die Forderung der Waldeigentümer, die immerhin 11,4 Millionen Hektar Wald bewirtschafteten, komme nicht einmal auf fünf Prozent dieser Summe.

Nicht nur im Bundestag findet diese Forderung Unterstützung. Auch die gerade tagende Umweltministerkonferenz der Länder hat die „Honorierung der Klimaschutz und anderer Ökosystemleistungen des Waldes“ auf der Agenda. Und im Bundeslandwirtschaftsministerium wird weiter an der „Waldstrategie 2050“ gearbeitet, die noch in dieser Legislaturperiode von der Bundesregierung verabschiedet werden soll. Im aktuellen Entwurf, der dieser Zeitung vorliegt, wird kritisiert, dass die bisherige staatliche Förderung sich vorwiegend die wirtschaftlichen Interessen der Forstbetriebe im Auge habe. „Die Bereitstellung der Ökosystemleistungen an sich wird demgegenüber nur ansatzweise gefördert.“ Das soll sich ändern. Wie genau, das wird offenbar noch diskutiert.

Aber vielleicht bedarf es gar keiner Förderung? Man bräuchte sie jedenfalls nicht, wenn man denjenigen folgte, die am liebsten den Wald allein alle Schäden reparieren lassen würden. Motto: Die Natur hilft sich selbst. Keine Eingriffe, weder Aufforstung noch Beräumung des Schadholzes und natürlich auch kein Holzeinschlag. Die Methode Urwald, so die Theorie, sei die beste, um den Wald klimagerecht wachsen zu lassen. „Nicht bewirtschaftete Wälder leisten im Vergleich zu Wirtschaftswäldern einen größeren Beitrag zur langfristigen Kohlenstoffspeicherung“, heißt es etwa beim Nabu.

Der schwierige Holzweg

Es gibt aber auch jene, die sich wundern, warum die Waldbesitzer und Waldbauern Zuwendungen bekommen, wenn gerade Holzpreise derzeit steigen und Bauholz knapp wird. Der Bundesverband Holzpackmittel, Paletten, Exportverpackung schlägt sogar Alarm, weil der Holzmarkt in Deutschland derzeit wie leergefegt ist. Ein Grund für die steigenden Preise: Der Bauboom in den USA. Die Holzexporte dorthin sind 2020 um 42 Prozent gestiegen. Allerdings steigen die Preise erst seit kurzem und sie kommen von einem extrem niedrigen Niveau.

So oder so bleibt die Frage, welche Bäume in Zukunft steigende Temperaturen, Trockenheit und Stürme überstehen. „Selbst die in Mischwäldern angebauten Fichten haben sich in Teilen Deutschlands nicht bewährt“, sagt Hans von der Marwitz, Präsident der kommunalen und privaten Waldbesitzerverbände (AGDW) „Auch Laubwälder aus Buchen und Eichen sind in manchen Regionen schwer geschädigt“. Aufklärung werden die gerade anlaufenden Feldaufnahmen zur vierten Bundeswaldinventur bringen, die vom Thünen-Institut für Waldökosysteme koordiniert werden. Das Aufforsten bleibt ein Wettlauf mit dem Klimawandel.

11,4 Millionen Hektar Wald gibt es in Deutschland. Das sind 32 Prozent der Gesamtfläche. 90 Milliarden Bäume wachsen in den Wäldern. Der Holzzuwachs ist größer als die Entnahme.

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Erstellt:
22.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 19sec
zuletzt aktualisiert: 22.04.2021, 06:00 Uhr

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