Tierschutz

„Der schönste Moment ist, das weiche Fell zu spüren“

Wie Helfer mit Drohnen, Wärmekameras und Gummistiefeln Rehkitze vor Mähwerken retten.

28.06.2021

Von DPA

127 Kitze haben die Helfer heuer schon vor dem Tod bewahrt. Foto: Stephan Schulz/dpa

127 Kitze haben die Helfer heuer schon vor dem Tod bewahrt. Foto: Stephan Schulz/dpa

Weinheim. Nachts um 1 Uhr zieht sich Nina die Gummistiefel an und begibt sich auf eine nasse Wiese bei Weinheim. „Alles für die Rehkitze“, betont sie. Die 33-Jährige gehört zu einer Gruppe von Rehkitzrettern, die die Tiere vor den scharfen Messern der Mähwerke in Sicherheit bringen. Denn die Frühjahrsmahd fällt zusammen mit der Kinderstube vieler Wildtiere, die in Wiesen ihren Nachwuchs sicher wähnen. In diesem Jahr haben die Helfer bereits 127 Kitze vor dem Tod bewahrt.

Die Jungtiere entwickeln erst drei bis vier Wochen nach der Geburt den Impuls, bei Gefahr zu flüchten. Nach Schätzungen der Wildtierstiftung werden 50?000 bis 100?000 Kitze im Jahr getötet. Mit 2,5 Millionen Exemplaren sind Rehe in Deutschland jedoch nicht vom Aussterben bedroht.

Die im Gras versteckten Tiere werden nach Absprache mit den Landwirten mit einer Drohne gesucht. Eine Wärmebildkamera liefert aus 60 Metern Höhe Aufnahmen. Jedes Lebewesen wird mit einem hellen Wärmepunkt abgebildet. Die Einsätze beginnen so früh am Morgen, weil im Laufe des Tages der Unterschied zwischen der Körperwärme und der Außentemperatur immer kleiner wird , erklärt Michael Ehlers, Gründer der Initiative. Die Helfer werden vom sogenannten Spotter, der den Bildschirm im Auge hat, per Funk zu den weißen Punkten gelotst. Dort finden sie nicht immer Kitze, sondern auch Füchse, Igel oder Hasen. „Egal wie nass und wie hoch das Gras ist, man läuft auf die Wärmepunkte zu, auch wenn sie noch so klein sind“, erzählt Nina.

Bis zu 25 Wiesen am Tag durchsuchen die Helfer. Dabei gibt es auch schlimme Erlebnisse. Im vergangenen Jahren hatten Nina und die anderen Helfer bereits vier Kitze gerettet. Ein Tier wurde doch noch vom Mähwerk erwischt. Alle vier Beine waren abgetrennt. „Wir haben tränenüberströmt neben dem Zwerg gesessen und gewartet, dass der Jäger kommt, um ihn zu erlösen.“ Doch es gibt auch viele schöne Momente. Ist ein Winzling gefunden, wird er mit Handschuhen und Gras aufgenommen und unter einem Korb am Rand gesichert. „Der schönste Moment ist, wenn man es am Brustkorb packt, sein weiches Fell spürt und merkt, wie sein Herz schlägt“, erzählt Nina . Nach der Mahd wird das Tier wieder freigelassen.

„Die Arbeit von ehrenamtlichen Kitzrettern, Landwirten und Jägern ist wichtig und sinnvoll“, sagt Agrarminister Peter Hauk (CDU). Die Akteure müssten sich zusammenschließen. Überdies gehöre der Schutz der Kitze zur guten fachlichen Praxis. dpa