Der Biber hat die Lauter fest im Griff (1)

Der haarige Gesell hat sich auf der Alb breit gemacht - zu Gesicht bekommt man ihn aber nur selten

„Auf Biberspur im Lautertal“ heißt eine Tour, die der Albgästeführer Wolf-Dietrich Herder im Programm hat. Dabei erfährt man viel über den haarigen Gesellen, nur zu Gesicht bekommt man ihn nicht. Dazu ist der Nager viel zu scheu. Das ist auch gut so, denn er hat nicht nur Freunde.

21.08.2016

Von Uschi Kurz

Kreis Reutlingen. Die Tour mit dem Biber-Guide beginnt bei einer Biberburg am Wolfgangsee (Grafeneck), der von der Bevölkerung längst in „Bibersee“ umgetauft worden ist. Die Begrüßung ist herzlich: „Ich bin der Wolf“, meint der 49-Jährige – ein Wolf, den die Biber freilich nicht zu fürchten haben. Den echten Wolf übrigens auch nicht.

Das erste, was Wolf-Dietrich Herder auf seiner Bibertour macht, er räumt mit einigen gängigen Vorurteilen auf. Der Biber ist Vegetarier, seine gelben Zähne hat er aber nicht, weil er zu viele Karotten frisst oder seine Zahnhygiene vernachlässigt, sondern weil seine imposanten Beißer einen hohen Eisengehalt haben. Den brauchen sie auch, denn das gibt ihnen die nötige Stabilität: „Sonst könnten sie keine Bäume fällen.“ Und fällen müssen sie fiel. Nicht nur, weil sie sich von der Rinden und den jungen Bäumen ernähren, sondern weil sie mit dem Material ihre Burgen im Wasser bauen. Damit der Eingang immer geschützt unter der Wasseroberfläche liegt, staut der Biber den Wasserlauf mit Dammbauten auf.

Dass er fast ausschließlich im Wasser lebt und zudem einen geschuppten Schwanz hat, wurde dem Nagetier im Mittelalter fast zum Verhängnis: Der Biber galt als Fisch und damit als Fastenspeise. Auch wegen seines Drüsensekrets Bibergeil, das in Medizin und Kosmetik und selbst als Nahrungsergänzungsmittel Verwendung fand, wurde der Biber lange Zeit gejagt. Hier in der Region galt er lange als ausgerottet, bis er 2006 wieder über die Donau eingewandert ist. Mittlerweile hat der Biber das Lautertal aber auch das Achtal bei Zwiefalten voll im Griff.

Im Schnitt, erzählt Herder, wird der Biber acht Jahre alt, in Gefangenschaft bringe er es schon auch einmal auf 35 Jahre. Der Biber hat keine Fressfeinde, aber die Jungtiere machen sich bei der Suche nach einem eigenen Revier gegenseitig das Leben schwer. Zwei Jahre leben die Jungen in trauter Eintracht mit ihren monogamen Eltern und den jüngeren Geschwistern in der heimischen Biberburg. Dann werden sie vor die Tür gesetzt und müssen sich einen (Bau-)Platz für eine eigene Behausung suchen. Dabei kommt es zu heftigen Revierkämpfen mit anderen Halbstarken oder Bauplatzbesitzern. Oft verbeißen sich die Tiere so ineinander, dass sie sich schwer verletzen. Entzünden sich die Wunden, überleben die Tiere das häufig nicht. Auch manche Begegnung im Straßenverkehr geht tödlich aus.

Albgästeführer Wolf-Dietrich Herder auf Biberspur im Lautertal: Hier zeigt er eine eindrucksvolle Biberburg an der Lauter bei Indelhausen. Bild: Haas

Albgästeführer Wolf-Dietrich Herder auf Biberspur im Lautertal: Hier zeigt er eine eindrucksvolle Biberburg an der Lauter bei Indelhausen. Bild: Haas

Ansonsten hat der Biber keine Feinde, zumindest nicht im Tierreich, aber nicht alle Menschen sind ihm so wohlgesonnen wie der Biberguide. Während wir vom Wolfgangsee zur großen Lauter und weiter nach Anhausen radeln, zeigt Herder immer wieder kleinere und größere Bauwerke, die der Biber an den Wasserläufen hinterlassen hat. Der Biber, erklärt er, „ist ein richtig guter Baumeister“. Das bekommen auch die Anwohner zu spüren.

Die Staudämme mit denen der Biber seine Burgen schützt, führen nicht nur dazu, dass der Wasserspiegel steigt, sondern auch, dass die Fließgeschwindigkeit des Bachs geringer wird. Das hat den Vorteil, dass es seltener Hochwasser und eine viel größere Artenvielfalt gibt. Gleichzeitig wird das Wasser sauber gefiltert. Gerade das aber, so der Wanderführer, der seit 2006 die Biberpopulation auf der Alb beobachtet, habe in Gomadingen angeblich bereits zu Problemen geführt. „Das Wasser ist dort so sauber, dass in der Kläranlage die Mikroorganismen zur Reinigung fehlen.“

Probleme mit dem fleißigen Nagetier haben auch manche Bauern, die die Flächen an der Lauter bewirtschaften. Der Biber baut nicht nur beeindruckende Burgen von denen er zwei bewohnt – eine Sommer- und eine Winterburg – er legt auch tiefe Gänge in die benachbarten Wiesen und Äcker an. Das führt zu Ernteausfällen und bisweilen auch zu Schäden an den landwirtschaftlichen Geräten. Dass es dafür – anders als in Bayern – keinen Schadensersatz gibt, erbost manche Landwirte. Für Herder sind die Biber faszinierende, intelligente Wesen. Und sein Schutz ist dringend notwendig. Wie die beiden Biberberater des Landkreises Reutlingen plädiert er für einen Mittelweg, „so dass beide Seiten damit leben können“ (Bericht folgt).

Wanderungen und Zeitreisen ins Mittelalter und zu den Kelten

Der Albgästeführer Wolf-Dietrich Herder ist eigentlich gelernter Maschinenbaumechaniker. Seine Liebe zur Natur und insbesondere zur Schwäbischen Alb führte dazu, dass er sich nach und nach zum Wanderführer, zum Landschaftsführer und schließlich zum Biosphärenbotschafter ausbilden ließ. Von März bis November bietet Herder unterschiedliche Wanderungen auf der Alb an. Bibertouren, aber auch Orchideenwanderungen, oder Ausflüge zu den Kelten vom Heidengraben. Auch Zeitreisen ins Mittelalter bietet er an, dann verwandelt Herder sich stilecht in den Ritter Wolf. Das vollständige Programm unter www.albgaestefueher.online und unter www.heidengraben-guide.online