Der Anti-James-Bond. Eiskalt präzises Persönlichkeitsbild eines CIA-Strippenziehers.

Der gute Hirte

Der Anti-James-Bond. Eiskalt präzises Persönlichkeitsbild eines CIA-Strippenziehers.

24.11.2015

Von che

Der gute Hirte

Wer „The Good German? gesehen hat, ist über den politischen Hintergrund schon bestens informiert. Auch in der zweiten Regie-Arbeit von Robert De Niro geht es um die Weltpolitik der USA in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Um den Wandel vom guten zum hässlichen Amerikaner sozusagen. Allerdings spannt De Niro den Bogen zeitlich viel weiter, vom Vorabend des zweiten Weltkriegs bis zur gescheiterten Invasion Kubas 1961. Zweitens erzählt er die Geschichte nicht wie Steven Soderbergh als hochstilisierten Thriller, sondern anhand eines Persönlichkeitsbildes, das deutliche Züge James Jesus Angeltons trägt, des Mitbegründers und späteren starken Mannes der CIA.

Ganz am Anfang sieht man diesen Kerl, der im Film Edward Wilson heißt, in Frauenkleidern auf einer Laienbühne ? ein Hinweis auf sein mannigfaches Potenzial, das bald darauf verkümmert. Als Student in Yale beschäftigt er sich mit Lyrik und kann den grobhumorigen Machenschaften seiner elitären Burschenschaft zunächst wenig abgewinnen. Andererseits sehnt sich der vom Selbstmord seines Vaters zermürbte junge Mann nach Geborgenheit und einer starken Hand. Als er im Auftrag einflussreicher Bundesbrüder seinen vermeintlich Nazi-freundlichen Professor ausspionieren soll, erledigt er die Aufgabe so emotionslos wie perfekt. Damit sind die Weichen gestellt. Nachdem er auch im Krieg an der Abhörfront seinen Mann gestanden hat, rückt Wilson im angehenden Kalten Krieg in den Führungszirkel der neu gegründeten CIA auf ? die sich nun voll und ganz der Kommunistenhatz verschrieben hat.

Wer da nun auch nur entfernt an James Bond oder Jason Bourne denkt, sei allerdings mit Nachdruck gewarnt. Denn erstens geht es in „Der gute Hirte? allenfalls am Rande um spektakuläre Spionage-Aktionen. Mit eiskalter Präzision und gutem Gespür für wechselnde Zeitstimmungen entfaltet Regisseur De Niro vielmehr die glanzlose Routine des Agentengeschäfts, das eher mühselige Strippenziehen im Hintergrund. Zweitens verliert Wilson im Lauf des Films jeden Wesenszug, der einen Helden auszeichnet. Mochte anfangs noch Idealismus seine Triebfeder gewesen sein, so geht es alsbald nur noch um blinde, zunehmend blindwütige Patriotenpflicht-Erfüllung. Am Ende steht eine umfassende Paranoia, die alles, womit ihn einmal eine emotionale Beziehung verbunden hat, als Kollateralschaden am Wegesrand zurück lässt.

Matt Damon hat für seine angeblich hölzerne Darstellung viel Kritik einstecken müssen. Dabei ist die Charakterblässe dieses Geheimnis-Krämers mit dem grauen Hut und der Bürokratenbrille doch der entscheidende Punkt. In seiner aufs unsichtbare Funktionieren ausgerichteten Eigenschaftslosigkeit gleicht er ein bisschen Ulrich Mühes Stasi-Schnüffler in „Das Leben der Anderen? ? abzüglich dessen märchenhafter Wende zum Menschenfreund. Statt aufs wärmende Feuer der Läuterung setzt der Film auf die kalten Schauer, die einem Wilsons stoische Erledigung immer dubioserer Aufgaben über den Rücken jagt. Aus gutem Grund: Im Gegensatz zu Stasi-Schergen tummeln sich der guten Hirten da draußen noch viele.