Design

Der große Frauenversteher - 60 Jahre Mode von Yves Saint Laurent

Vor 60 Jahren begann die große Zeit des Modeschöpfers Yves Saint Laurent. Gleich sechs Museen erinnern in Paris an das Schaffen des Couturiers.

25.01.2022

Von dpa

„Er zog seine Klientinnen nicht wie Lustobjekte an“: Models präsentieren Kreationen der Frühjahrs-und Sommerkollektion 2022 des französischen Modehauses Saint Laurent, benannt nach dem 2008 verstorbenen Designer.

„Er zog seine Klientinnen nicht wie Lustobjekte an“: Models präsentieren Kreationen der Frühjahrs-und Sommerkollektion 2022 des französischen Modehauses Saint Laurent, benannt nach dem 2008 verstorbenen Designer.

Paris. Zwei Stunden vor dem Beginn des Defilée sind die Straßen rund um die Rue Spontini verstopft. Vor der Hausnummer 30 bilden sich lange Menschenschlangen. Berühmtheiten wie die Schriftstellerin Françoise Sagan und die Tänzerin Zizi Jeanmaire bahnen sich ihren Weg in die erste Reihe. Vom 29. Januar 1962 erwarten viele Großes: Um 10.30 Uhr würde Yves Saint Laurent, das Wunderkind der Pariser Modewelt, die ersten Entwürfe seines Couture-Hauses präsentieren.

Die Kritiken zu seinem Debüt fallen anschließend durchwachsen aus, das Große kommt später: Yves Saint Laurent wird den Smoking für Damen erfinden, den Safari-Stil populär machen, mit transparenten Stoffen dem „Nude Look“ den Weg bereiten, die Werke großer Künstler wie Mondrian oder Picasso auf Kleidung übersetzen. Er wird die Art prägen, wie sich Frauen kleiden.

Yves Henri Donat Mathieu-Saint Laurent, so sein vollständiger Name, kommt am 1. August 1936 im algerischen Oran zur Welt. Schon als Kind begutachtet er die Kleider seiner Mutter und seiner Tanten, er liebt Bücher und das Theater, zeichnet. Seine Mitschüler hänseln und verprügeln ihn. Sie spüren, was auch Yves Saint Laurent früh erkennt: Er ist homosexuell.

Assistent beim berühmtesten Couturier jener Zeit: Christian Dior

1953 nimmt er an einem renommierten Designwettbewerb teil, belegt den dritten Platz, übersiedelt nach Paris und wird 1955 Assistent beim berühmtesten Couturier jener Zeit: Christian Dior. Der erkennt und fördert das Talent. Und so wird Yves Saint Laurent mit 21 Jahren nach Diors Tod 1957 zu dessen Nachfolger ernannt. Der Höhenflug endet abrupt, als er 1960 zum Militärdienst eingezogen wird. Der Designer zerbricht an der Härte des Kasernenlebens, kommt in die Nervenklinik, wird mit Medikamenten ruhiggestellt – und verliert seinen Job bei Dior. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits ein Mann an seiner Seite, der über Jahrzehnte dem fragilen Wesen Saint Laurents Halt und seiner schöpferischen Genialität Struktur gibt: Pierre Bergé, Lebens- und Geschäftspartner in einem. Dass der Designer überhaupt ein eigenes Couture-Haus eröffnen kann, verdankt er ihm: Bergé akquiriert über einen Investor das Startkapital.

In den 1960er Jahren dürstet es die Jugend nach Neuem, auch in der Mode. Die elitäre Maßschneiderkunst gilt ihr als dekadent. Saint Laurent passt sich an und eröffnet 1966 in Paris die erste „Rive Gauche“-Boutique. Unter diesem Namen hatte er eine Linie für hochwertige Konfektion, die Prêt-à-Porter, lanciert. Später dringt er auch in den Massenmarkt vor. Selbst bei C&A gibt es in den 1980er Jahren Produkte mit dem Logo „YSL“. „Einer der Schlüssel zu Saint Laurents kommerziellem Erfolg war es, Kleider zu kreieren, die die Frauen gern trugen“, scheibt Alice Rawsthorn in ihrer 1996 erschienenen Yves Saint Laurent-Biographie. „Er zog seine Klientinnen nicht wie Lustobjekte an.“ Mit einem als Retrospektive angelegten Defilée im Centre Pompidou in Paris zieht sich Yves Saint Laurent am 22. Januar 2002 aus der Modewelt zurück. Andere Designer wie Tom Ford und Hedi Slimane entwarfen anschließend unter seinem Namen Kleidung. Seit 2016 heißt der Kreativdirektor des Labels Anthony Vaccarello.

Wie bedeutend das Wirken des am 1. Juni 2008 im Alter von 71 Jahren verstorbenen Modeschöpfers war, zeigt jetzt die Ausstellung „Yves Saint Laurent aux musées“. Gleich sechs Pariser Museen, darunter das Musée d’Orsay und das Musée du Louvre, widmen sich vom 29. Januar bis zum 15. Mai dem Schaffen des großen Couturiers.

Übertrug Kunst auf Keidung: Yves Saint Laurent.

Übertrug Kunst auf Keidung: Yves Saint Laurent.

Drogen, Alkohol und wilde Partys

Ebenso legendär wie seine Mode war der Lebensstil des Yves Saint Laurent. Er konsumierte Drogen und Alkohol, feierte wilde Partys. „Wir waren wie schreckliche und verwöhnte Kinder, die nur an sich und ihren Spaß dachten“, erinnert sich Betty Catroux 2020 in einem Interview an die Zügellosigkeit jener Zeit. Das Model gehörte zu den Musen des Designers. Immer wieder brach Saint Laurent gesellschaftliche Tabus, warb zum Beispiel nackt für eines seiner Parfüms. „Im Grunde bin ich ein Kind geblieben, dadurch konnte ich immer wieder überraschen, mich und andere“, sagte er in einem Interview 2002.

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Erstellt:
25.01.2022, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 04sec
zuletzt aktualisiert: 25.01.2022, 06:00 Uhr

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