Tübingen · Parkhaussanierung

Der Umsatz ist gesunken

Der Lärm ist gestiegen, und die Altstadt-Mitte-Parkplätze werden von vielen vermisst. Im November soll das Parkhaus fertig sein.

17.08.2019

Von Ulla Steuernagel

Bei Schreibwaren Schimpf leidet man unter dem fehlenden Parkhaus. Denn das Sortiment besteht nicht nur aus Dingen, die so leicht zu tragen sind wie die Farbgläschen, die Rainer Barth hier gerade einräumt.Bild: Ulrich Metz

Bei Schreibwaren Schimpf leidet man unter dem fehlenden Parkhaus. Denn das Sortiment besteht nicht nur aus Dingen, die so leicht zu tragen sind wie die Farbgläschen, die Rainer Barth hier gerade einräumt.Bild: Ulrich Metz

Seit Januar 2018 ist das Parkhaus Altstadt-Mitte geschlossen. Seither ist es nicht nur schwierig, im Herzen der Stadt einen Parkplatz zu finden, auch die Passantenströme haben sich verändert. Wer nun mit dem Auto in die Stadt fährt, parkt entweder im Neckarparkhaus oder im „König“. Im November soll das Parkhaus am Nonnenmarkt fertig saniert und für den Parkverkehr wieder geöffnet sein. Die Dauer der Bauarbeiten zehrt an den Nerven der Händler in den umliegenden Läden: Der Lärm ist groß, das Geschäft ist bei den meisten ruhiger geworden – trotz des kostenlosen Tübus-Samstagsangebots.

Nicht jeder Händler oder jede Händlerin will sich öffentlich zur Parkhaus-Baustelle äußern. „Viele Läden laufen schlecht“, sagt Schuhmacher Mahsuni Dogan, der im Nonnenmarkt seinen mit Schlüsseldienst kombinierten kleinen Betrieb hat. Er schätzt, dass sein Umsatz um 50 Prozent zurückgegangen ist, seit das Parkhaus am Nonnenmarkt zur Großbaustelle wurde. Seine Kunden wollten mit dem Auto vorfahren und nicht erst zwei Suchrunden um den Block drehen müssen, nur um ein Paar Schuhe abzugeben oder abzuholen. Ein Schuster mit Parkplatz vor der Tür liege dann eben näher. Den kostenlosen Samstagsbus hält er für keine ausreichende Ersatzlösung. Ältere Käufer wollten ihre Einkaufstaschen nicht zum und im Bus transportieren.

Die Ware, die Osiander anbietet, ist an sich gut tragbar. Dennoch hat man sich hier schon vor längerer Zeit ein Ersatztransportsystem einfallen lassen, so sagt Anja Brutsche. Der Bringdienst per Fahrradkurier kann von den Kunden kostenlos in Anspruch genommen werden. Manchmal, so die Erfahrung der Filialleiterin in der Metzgergasse, beschwerten sich Kunden über die Baustelle und das geschlossene Parkhaus. Doch insgesamt sei Osiander und seine Kundschaft davon nicht besonders betroffen. Auch ums Weihnachtsgeschäft – mit oder ohne Parkhaus – macht man sich hier keine Sorgen.

Schnelle Strafzettelverteiler

Isabelle Frommlet, Inhaberin des „Hinterhof“ sieht das weniger gelassen: „Die Parkhaus-Baustelle ist eine Katastrophe!“ Manche Stammkunden kommen einfach nicht mehr in den Laden, seit sie nebenan nicht mehr parken können. Von der Stadt hatte sie außerdem mehr Kulanz bei der Verteilung von Strafzetteln erwartet. Doch die Ordnungskräfte zücken sofort den Stift, auch wenn ein Kunde nur schnell einen schweren Gegenstand einladen will. Neulich sollte ein Mann, der bei ihr eine Brunnenschale gekauft hatte, gleich 30 Euro berappen. Frommlet konnte das gerade noch abbiegen. Sie fühlt sich von den Stadtwerken auch nicht gut über den Fortgang der Arbeiten informiert: „keine Kommunikation“, sagt sie. Was sie über die Dauer der Bauzeit weiß, weiß sie aus dem TAGBLATT. Sie hofft sehr, dass das Parkhaus vor Beginn des Weihnachtsgeschäfts fertig ist. „Ich hab mal gelesen“, sagt sie mit sarkastischem Unterton, „dass das Empire State Building in zwei Jahren gebaut wurde.“

Auch Verena Stolz-Schimpf, Inhaberin von Schreibwaren Schimpf, merkt die Umsatzeinbrüche „gewaltig“. Obwohl auch Schimpf einen kostenlosen Bringservice anbietet, ersetzt dieser nicht die Parkplätze vor der Tür. „Man merkt, die Damen mit den SUV, die kommen nicht mehr“, sagt die Händlerin. Auf diese Art von Autofahrern ist sie gar nicht gut zu sprechen. Sie ärgert sich auch darüber, dass im Parkhaus in Zukunft auf diese großen Co2-Schleudern mit extrabreiten Parkplätzen besondere Rücksicht genommen werden soll. Dass die Stadtwerke die Händler nicht gut über den Fortgang der Sanierungsarbeiten informiert hätten, ist ein weiteres Ärgernis für sie.

Für Werner Tress vom Kartoffel- und Werkzeugladen hat sich die Parkhaus-Sanierung nicht so deutlich bemerkbar gemacht. Oder genauer: Sein Blick ist gerade durch die Baustelle unmittelbar vor der eigenen Ladentür verstellt. Dort wird ein Spielplatz angelegt, die Metzgergasse ist komplett gesperrt und seine Geschäftslage hat sich drastisch verschlechtert. „Ich habe nur noch die Hälfte oder ein Drittel des Umsatzes im Kästchen.“ Auch die Belieferung mit Ware sei derzeit schwierig. Er holt die Kartoffeln nun mit der Schubkarre aus der Langen Gasse.

Artur Borst verkauft am Stand vorm Nonnenmarkt Obst und Gemüse. Er ist begeisterter Fußgänger und selber, wie er gleich sagt, nicht vom Mangel an Parkplätzen betroffen. Doch die Umsätze sind auch hier gesunken, das schätzt er ähnlich ein wie andere Händler. Dennoch sieht er die vielen durch die Stadt kurvenden Autos ebenfalls kritisch. „40 Prozent der Stadtfahrten liegen unter drei Kilometern“, weiß Borst. Es werde Zeit, dass sich daran etwas ändere.

In der Stadtbücherei leidet man ebenfalls unter der Baustelle, doch vor allem wegen des Lärms. Leiterin Martina Schuler muss die Fenster schließen, wenn sie telefonieren will. Die Kunden äußerten oft ihr Mitgefühl mit den Kolleginnen und Kollegen wegen der Geräuschkulisse. Als besonders störend empfindet Schuler die Vibrationen, die die Bauarbeiten verursachen. Die Ausleihzahlen haben sich in der Bibliothek insgesamt nicht groß verändert, aber leicht verschoben, denn manche Ausleiher steuern nun die Derendinger Filiale an, dort können sie mit dem Auto vorfahren.

Der Eröffnungstermin ist nicht gefährdet

Die Stadtwerke als Parkhausbetreiber melden, dass die Baustelle Parkhaus Altstadt-Mitte bislang planmäßig voranschreitet. 80 Prozent der Sanierungsarbeit sei getan. Bis Ende September sollen die Beschichtungsarbeiten im Inneren abgeschlossen sein, die mit einiger Geruchsbelästigung verbunden sein können. Danach werden die Arbeiten an der Elektrik beginnen. Seit Januar 2018 ist das Parkhaus für den Verkehr geschlossen. Versprochen wurde, dass es noch vor dem Weihnachtsgeschäft wieder zur Verfügung steht. „Das ist auch nicht gefährdet“, so gibt SWT-Pressesprecher Johannes Fritsche bekannt. Im November soll das Parkhaus fertig sein.