Tübingen

Mit 93 Jahren: Theologe Hans Küng ist gestorben

Wie die Tübinger Universität mitteilt, ist der international renommierte Professor für ökumenische Theologie und prominente Kirchenkritiker am heutigen Dienstag mit 93 Jahren in Tübingen gestorben.

06.04.2021

Von ST

Hans Küng im Frühjahr 2015. Archivild: Ulrich Metz

Hans Küng im Frühjahr 2015. Archivild: Ulrich Metz

„Mit Hans Küng verliert die Universität Tübingen einen produktiven Forscher, einen überaus schöpferischen Gelehrten und einen exzellenten Theologen“, wird der Rektor der Universität, Professor Bernd Engler, zitiert. „Küng hat mit dem Institut für Ökumenische Forschung und dem Weltethos-Institut an unserer Hochschule Einrichtungen von bleibender Bedeutung geschaffen und damit die Universität tiefgreifend geprägt. Mit seinem weltweit anerkannten Einsatz für Kirchenreformen und für den Dialog der Religionen hat er maßgeblich zum internationalen Ansehen der Universität Tübingen beigetragen.“

Küng wurde 1928 im schweizerischen Sursee (Kanton Luzern) geboren. Er studierte an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und promovierte am Institut Catholique in Paris. 1954 erhielt er die Priesterweihe. 1960 wurde Küng als ordentlicher Professor für Fundamentaltheologie an die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Tübingen berufen. Drei Jahre später wurde er zusätzlich Direktor des von ihm gegründeten Instituts für Ökumenische Forschung.

Der Theologe äußerte wiederholt Kritik am Papst und an der katholischen Kirche. Zur Jahreswende 1979/80 reagierte der Bischof von Rottenburg-Stuttgart auf Druck von Papst Johannes Paul II. und der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis. Um Küng eine weitere Lehrtätigkeit an der Universität Tübingen zu ermöglichen, einigten sich die Landesregierung, die Universitätsleitung und der Theologe auf einen Kompromiss: Die Hochschule gliederte sein Institut für Ökumenische Forschung aus der Katholisch-Theologischen Fakultät aus und unterstellte es direkt dem Senat - ein einmaliges Modell in der Geschichte der Universität Tübingen.

1980 begründete Küng gemeinsam mit seinem Freund Walter Jens das Studium Generale an der Universität Tübingen. In jedem Semester werden seither in mehreren Reihen wissenschaftliche Themen allgemeinverständlich präsentiert. Die Veranstaltungen haben zahlreiche treue Zuhörer aus der Stadt und ihrer Umgebung.

Als Pionier des interreligiösen Dialogs und für seinen Einsatz für ein Kulturen und Religionen über-greifendes Menschheitsethos, ein „Weltethos“, erlangte Hans Küng weltweites Ansehen in allen Weltreligionen. Unter seiner Federführung verabschiedete das „Parlament der Weltreligionen“ im Jahr 1993 die „Erklärung zum Weltethos“, 1995 wurde in Tübingen die Stiftung Weltethos gegründet, deren Präsident Küng bis 2013 war. Mithilfe seiner herausragenden Kontakte gelang es Küng mehrfach, hochrangige Weltethos-Redner nach Tübingen einzuladen, darunter den damaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan, den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, Friedensnobelpreisträger Bischof Desmond Tutu oder die Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Mary Robinson.

2012 gründete die Stiftung Weltethos mit maßgeblicher Förderung der Karl Schlecht Stiftung das Weltethos-Institut als An-Institut der Universität Tübingen. Dort forschen Wissenschaftler zu Fragen der Globalisierungsethik, Wirtschaftsethik und des Interkulturellen Lernens. Gleichzeitig organisiert es Lehrveranstaltungen zu ethischen Fragen, besonders in den Bereichen Wirtschaft und Religion.

Für seine Forschung und sein Engagement erhielt Küng zahlreiche Ehrungen und Preise, darunter 1998 den Theodor-Heuss-Preis, 2002 den Göttinger Friedenspreis und 2003 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern.

Palmer: „Eine der großen geistigen Persönlichkeiten unserer Zeit“

„Tübingen - er nannte es einmal die ,kleine, aber feine Stadt‘, die ihm ,zur Stadt der glücklichen Fügungen‘ geworden war - verliert viel, im Menschen wie im Wissenschaftler und Schriftsteller Hans Küng“, wird Oberbürgermeister Boris Palmer in einer Mitteilung der Stadt zitiert. Für den OB war Küng „eine der großen geistigen Persönlichkeiten unserer Zeit“.

„Er, der Priester und Professor der Theologie, wollte als Forscher, Lehrer und Autor wahrgenommen werden, als jemand, der sich aus Sorge um den Zustand seiner Kirche und um die Nöte und Probleme in der Seelsorge vernehmlich zu Wort meldete“, so Palmer. Und weiter: „Heute trauern wir nicht nur um den Gelehrten, sondern auch um den Menschen Hans Küng, den Tübinger Bürger. Er wird seine Ruhestätte an jenem Ort finden, den er sich selbst gewünscht hat: auf dem Stadtfriedhof, dort, wo die großen Toten unserer Stadt begraben sind.“