Landwirtschaft

Der Sommer der Bienen

Imker aus ganz Deutschland steuern die Nordseeinsel Baltrum an, um Königinnen begatten zu lassen. Wozu der ganze Aufwand?

06.09.2021

Von DPA

In Neßmersiel werden die Bienenstöcke auf ein Frachtschiff geladen. Foto: Sina Schuldt/dpa

In Neßmersiel werden die Bienenstöcke auf ein Frachtschiff geladen. Foto: Sina Schuldt/dpa

Baltrum. Behutsam lädt der Kran des Frachtschiffes „Baltrum II“ im Hafen von Neßmersiel Paletten mit Dutzenden Kisten an Bord. Das Schiff hat an diesem Sommermorgen wertvolle Fracht, die es auf die ostfriesische Insel Baltrum bringen soll. Denn in den rund 300 bunten Kästchen befinden sich Bienenvölker. Nach und nach stapeln sich die Kästchen an Deck zwischen Getränkekisten und Postcontainern. Doch wozu so viele Bienen für Baltrum?

„Alle an Bord“, ruft Detlef Kremer über Deck – und meint damit gut ein Dutzend Imker, die die Bienenkisten nach Baltrum bringen. Kremer leitet die Belegstelle für Bienen des Landesverbandes Niedersächsischer Buckfastimker auf Baltrum. Denn die Nordseeinsel ist wie andere Eilande auch ein idealer Ort für die Bienenzucht. „Belegstelle“ heißt die Einrichtung, da „belegen“ ein anderes Wort für „begatten“ ist. Der 72-Jährige kümmert sich um die An- und Abreise der Kisten und hält den Kontakt zu den Imkern.

Die Zucht von Bienen, die kilometerweit fliegen, sei gar nicht so einfach, erklärt Kremer. Einer Bienenkönigin könne man ja schlecht zeigen, mit welcher männlichen Biene, Drohne genannt, sie sich paaren soll. Deshalb nutzen die Züchter die Abgeschiedenheit der sonst Nordseeinsel. „Große Wasserflächen überqueren Bienen nicht“, erklärt Kremer. Auf Baltrum paaren sich die Königinnen mit ausgewählten Drohnen, die schon ein paar Wochen zuvor auf die Insel gebracht wurden. So lassen sich die Eigenschaften der Brut steuern.

Die Plätze der Belegstelle auf Baltrum sind bei Bienenzüchtern aus ganz Deutschland begehrt. Die Kapazität übersteige die Nachfrage der Züchter, erklärt Kremer, der die Stelle bereits seit 19 Jahren betreut. „Wir sind ausgebucht.“ Der Zuchterfolg sei auf der Insel größer als bei Belegstellen auf dem Festland, erklären die Imker. An diesem Tag bringen Imker vom Bodensee, aus Sachsen, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Königinnen zur Paarung. Und da die Königinnen nicht alleine reisen, finden sich in jedem der verschlossenen Begattungskästchen auch etwa eine Handvoll Arbeiterinnen -–quasi als kleiner Hofstaat im Gefolge. Peinlichst genau achten die Züchter vorher darauf, keine fremde Drohne mit auf die Insel zu bringen – diese könnte die ganze Zucht ruinieren.

Einer der Imker ist Heiner Buschhausen. Hinter dem 53-Jährigen aus Herten aus NordrheinWestfalen und seinen Kolleginnen und Kollegen liegt eine lange Nacht. Da Bienen wärmeempfindlich sind, machten sich die Imker mit ihren Kisten nachts auf den Weg an die Küste. Denn bei Wärme wollen die Bienen ihre Kisten verlassen. „Es ist ein wenig Abenteuer und Freiheit“, sagt Buschhausen, der seit sechs Jahren jeden Sommer seine Bienen nach Baltrum bringt, mit Blick auf die Überfahrt.

Auf der autofreien Insel angekommen geht die Arbeit erst richtig los: Mit dem Pferdefuhrwerk werden die Bienenkisten an den Rand eines abgelegenes Dünengeländes am Wasserwerk der kleinsten der Ostfriesischen Inseln gebracht. Von dort schwirren die Imker aus, stets zwei Kisten in den Händen, und verteilen die Bienen auf dem weitläufigen Gelände.

Die Drohnen seien „fliegende Spermapakete“, erklärt Imker Buschhausen. Ihre einzige Aufgabe sei die Begattung der Königinnen. Eine Königin wird dabei in der Luft von mehreren Drohnen begattet, danach fallen die Drohnen tot vom Himmel. Die Königin kehrt danach in ihre Kiste zurück und beginnt mit der Brut. Auf diese Weise wird das Erbmaterial der Drohnen in die Völker weitergegeben.

Einige Zeit, nachdem die ersten Kisten auf Baltrum ausgebracht sind, beginnt es zu summen. Die Königinnen verlassen die Kiste dafür den Paarungsflug nur einmal. Detelf Kremer wird noch vier Mal auf die Insel kommen, um die An- und Abreise der Kisten zu organisieren. Immer nach 14 Tagen gibt es einen „Bienenwechsel“ und die Imker holen ihre Königinnen wieder von der Insel.

Am Ende könnten so zwischen 1200 und 1500 begattete Königinnen die Insel verlassen – nach einem Sommer auf Baltrum. dpa

Imker Heiner Buschhausen stellt Bienenstöcke auf. Foto: Sina Schuldt/dpa

Imker Heiner Buschhausen stellt Bienenstöcke auf. Foto: Sina Schuldt/dpa