Baden-Württemberg – China

Der Mega-Auftrag als Türöffner

Im Land mit dem weltweit höchsten Energieverbrauch, in China, installiert das Reutlinger Maschinenbauunternehmen MANZ AG derzeit eine schlüsselfertige Fabrik zur Serienproduktion von CIGS-Dünnschicht-Solarmodulen. Der größte Auftrag in der Firmengeschichte von Manz – und gleichzeitig ein einzigartiges Referenzprojekt für umsatzträchtige Folgeaufträge.

14.12.2018

Von Birgit Pflock-Rutten

Bild: Manz AG

Bild: Manz AG

Es ist eine gigantische Fabrikanlage, die Manz derzeit im chinesischen Chongqing, einer 32 Millionen Einwohner zählenden Metropole, erstellt. Die „CIGSfab“ soll Mitte 2019 die Produktion aufnehmen und mit einer garantierten Produktionskapazität von jährlich 306 Megawatt Modulleistung die größte Fabrik für CIGS-Dünnschichtmodule in der gesamten Volksrepublik sein.

Jahrzehntelange Forschung

Das Know-how für die gigantische Produktionsanlage basiert auf jahrzehntelanger Erfahrung der Manz AG in der Photovoltaik-Branche. „Wir haben viel Geld in Forschung und Entwicklung investiert“, sagt Hannes Reinhardt, Leiter des Geschäftsbereichs Solar bei Manz. Als die deutsche Solarwirtschaft vor rund sieben Jahren in die Krise schlitterte, blieben viele Solarunternehmen auf der Strecke. Auch Manz fuhr massive Verluste ein, Entlassungen waren die Folge. Aber das Reutlinger Unternehmen machte weiter – als eines von wenigen. Einen entscheidenden Beitrag für dieses Durchhaltevermögen lieferten die anderen Geschäftsbereiche von Manz. „Wir konnten unser Solar-Know-how auf andere Geschäftsbereiche übertragen und damit die Verluste eindämmen“, berichtet Reinhardt.

Inzwischen ist Manz Pionier in der Entwicklung und Herstellung von Hightech-Produktionsanlagen für die Solarindustrie, speziell im Bereich der CIGS-Technologie. CIGS steht für das stromerzeugende Halbleitermaterial bestehend aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen. Dieser Halbleiter wird in einer extrem dünnen Schicht von nur 0,002 Millimetern in einem speziellen Vakuumprozess auf eine Glasscheibe aufgedampft. Vorteil dieser Technologie ist unter anderem ihr geringer Energie- und Materialverbrauch bei der Herstellung.

Nach der Übernahme der CIGS-Innovationslinie von Würth Solar im Jahr 2012 fokussierte sich Manz gemeinsam mit dem Forschungspartner Zentrum für Sonnenenergie – und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) auf die Weiterentwicklung dieser Technologie – immer wieder mit neuen Wirkungsgrad-Weltrekorden und drastischen Kostensenkungen. „Die Silizium-Solartechnologie ist weitgehend am Ende ihrer Entwicklung angelangt, die Dünnschicht-Technologie, und hier vor allem CIGS, hat noch viel Potenzial“, so Reinhardt.

Aufträge und Joint Ventures

Manz erhielt den Großauftrag Anfang 2017 im Zuge einer strategischen Zusammenarbeit mit zwei führenden chinesischen Energieunternehmen, dem Manz-Anker-Aktionär Shanghai Electric und dem größten chinesischen Kohlekonzern, der Shenhua Group.

Ziel der Zusammenarbeit ist es, die Weiterentwicklung und Vermarktung der Manz CIGS-Dünnschicht-Technologie voranzutreiben. Hierzu wurden zwei Gemeinschaftsunternehmen gegründet: Die Suzhou Manz New Energy Equipment Co. Ltd. verantwortet exklusiv die Vertriebsaktivitäten in China, erbringt Ingenieursleistungen in zukünftigen Projekten und unterstützt bei diesen in der Anlaufphase.

Ein zweites Joint Venture im Bereich Forschung hat die Weiterentwicklung der CIGS-Technologie zum Ziel. Das dafür gegründete Gemeinschaftsunternehmen NICE PV Research Ltd. errichtet die Forschungslinie „CIGSlab“ in Peking mit 44 MW Kapazität, die ebenfalls im kommenden Jahr den Betrieb aufnehmen wird.

Die chinesischen Energieunternehmen verfolgen das erklärte Ziel der Volksrepublik, den Umstieg auf klimafreundliche Energien zu forcieren. „Allerdings zählt in China auch die Nuklearenergie dazu, weil sie als sauber betrachtet wird“, sagt Reinhardt. Der Hauptfokus liege aber auf Erneuerbaren Energien – und hier vorne mit dabei die CIGS-Dünnschicht-Technologie.

Know-how aus Deutschland

Mit der CIGSfab realisiert die Manz AG eines der wichtigsten Projekte innerhalb der Manz-Gruppe – und ein Pionierprojekt. „Die sehr komplexe Technologie in ‚groß‘ zu implementieren, ist die Kunst“, beschreibt Reinhardt die anspruchsvolle Aufgabe. „Das Firmengebäude selber wird nach unseren Vorgaben vor Ort vom Kunden errichtet, die gesamten Produktionsanlagen, die den vertraglich festgelegten Ausstoß garantieren, stammen von uns.“ Bei der Erstellung dieser Anlagen setzt Manz auf ein weltweit eingespieltes Engineering- und Projektmanagement: Das Equipment wurde an verschiedenen Manz-Standorten gefertigt – in Deutschland, der Slowakei, Ungarn, Taiwan und auch am chinesischen Standort in Suzhou.

Bei der Umsetzung des Großauftrages vor Ort in China entstanden bei den Gesprächen auf Managementebene „manchmal anstrengende Diskussionen“, wie Reinhardt es ausdrückt. Für ihn kein Wunder: „Manz ist neu, die Technologie ist neu, die Investitionen riesig, all dies beansprucht einen hohen Erklärungsaufwand“. Dazu komme, dass die Mitarbeiter in einem Staatsunternehmen sehr darauf bedacht seien, keine Fehler zu machen und sich stets mehrfach absichern möchten. Entsprechend oft ist Asienkenner Reinhardt daher in China. „Beim Ablauf eines Projektes in dieser Größenordnung unerlässlich“, betont er.

Schwaben wie Chinesen haben den Ruf, tüchtig zu sein und schnell zu lernen – wird der Technologietransfer da nicht zur Gefahr? Nein, ist Reinhardt überzeugt: „Wir haben Kompetenzen, die nicht so einfach in Kisten gepackt werden können. Aber wir müssen in Forschung und Entwicklung immer einen Schritt voraus sein.“

Riesiges Referenzprojekt

Die beiden Projekte – CIGSfab und CIGSlab – bescherten Manz nicht nur einen gewaltigen Umsatzsprung. „Wir erwarten uns mit der erfolgreichen Abwicklung wichtige Folgeaufträge“, so Reinhardt. Allein in China bestehe ein enormer Bedarf, ebenso auch in anderen Ländern Asiens und in Südamerika. Das Vertragswerk enthält keine Restriktionen – die Anlagen dürfen daher auch außerhalb von China angeboten werden. „Wenn die erste Fabrik erfolgreich ist, haben wir den Schlüssel in der Hand, um neue Türen aufzuschließen. China ist unser Referenzprojekt.“

Hannes Reinhardt, Leiter des Geschäftsbereichs Solar bei Manz. Bild: Manz AG

Hannes Reinhardt, Leiter des Geschäftsbereichs Solar bei Manz. Bild: Manz AG

Der Mega-Auftrag als Türöffner

MANZ AG Unternehmensprofil

Die 1987 gegründete Manz AG mit Sitz in Reutlingen ist ein weltweit
agierendes Hightech-Maschinenbauunternehmen. Neben der schlüsselfertigen Produktionslinie CIGSfab im Segment Solar legt das Unternehmen
in den Segmenten Electronics und Energy Storage besonderes Augenmerk
auf die Automobilindustrie. Die seit 2006 in Deutschland börsennotierte
Firmengruppe entwickelt und produziert in acht Ländern mit rund 1700
Mitarbeitern, davon rund die Hälfte in Asien. Der Umsatz der Manz-Gruppe betrug im Geschäftsjahr 2017 rund 325 Millionen Euro.
Davon erwirtschaftete das Unternehmen 55,6 Prozent in China.

Aktionärsstruktur: Shanghai Electric: 19,67 Prozent,
Fam. Manz: 28,09 Prozent, der Rest befindet sich in Streubesitz.