Kino

Der Mann, der nie aufhört

Er schuf „Prinzessin Mononoke“ und „Chihiros Reise ins Zauberland“: Hayao Miyazaki, Star-Regisseur und Mit-Gründer des japanischen Studios Ghibli, arbeitet mit 80 Jahren wieder an einem neuen Zeichentrickfilm.

05.01.2021

Von DPA

Szene aus „Chihiros Reise ins Zauberland“, einer der erfolgreichsten Anime-Filme weltweit. Foto: dpa

Szene aus „Chihiros Reise ins Zauberland“, einer der erfolgreichsten Anime-Filme weltweit. Foto: dpa

Tokio. Es sind fabelhafte Werke voller Heldinnen und Waldwesen, magischer Naturkräfte und Geister aus Japans mythischer Shinto-Welt. Mit seinen Zeichentrickfilmen wie „Prinzessin Mononoke“, „Mein Nachbar Totoro“ oder seinem Oscar-prämierten Werk „Chihiros Reise ins Zauberland“ hat Hayao Miyazaki Menschen in aller Welt verzaubert und wurde zur Ikone der zeitgenössischen japanischen Anime-Kunst. Am 5. Januar wird er 80 Jahre alt. Doch nicht umsonst wurde Miyazaki in seiner Heimat einmal als „Owaranai Hito“ – ein Mensch, der niemals endet – porträtiert. Denn der Regisseur des legendären Studios Ghibli ist aus dem Ruhestand zurückgekehrt, er arbeitet an einem weiteren großen Film.

Vor sieben Jahren, nach der Veröffentlichung von „Wie der Wind sich hebt“ über den Entwickler der Mitsubishi Zero, Japans gefürchtetem Jagdflugzeug im Zweiten Weltkrieg, hatte Miyazaki verkündet, er wolle keine abendfüllenden Spielfilme mehr machen. Doch er hatte schon öfter seinen Rücktritt erklärt?– und dann doch weitergemacht.

So auch diesmal: 2017 hat Miyazaki einen neuen Animationsfilm angekündigt. Als Inspiration für das neue Werk dient ihm das 1937 erschienene Kinderbuch „Kimitachi Wa Do Ikiruka“ (etwa: „Wie werdet ihr leben?“) von Yoshino Genzaburo. Zunächst hatten die Trickfilmstudios Ghibli die Produktionszeit auf drei bis vier Jahre angesetzt. Doch die aufwendigen Arbeiten an dem neuen Werk gestalten sich langwieriger. Früher habe er pro Monat zehn Minuten Animation produziert, jetzt sei es nur noch eine, sagte Miyazaki Ende 2019 in einem Interview.

„Wir zeichnen immer noch alles per Hand“, sagte der Produzent und Ghibli-Mitgründer Toshio Suzuki. „Aber es nimmt mehr Zeit in Anspruch, einen Film fertigzustellen, weil wir mehr Einzelbilder zeichnen.“ 60 Animatoren arbeiteten an Miyazakis neuem Werk. Nach drei Jahren seien 36 Minuten produziert, sagte Suzuki. Man hoffe, den Film in den nächsten drei Jahren fertigzustellen. Es heißt, dass viele von Miyazakis früheren Mitarbeitern bei Ghibli an dem neuen Projekt mitwirken.

In Miyazakis Filmen geht es immer wieder um die Konfrontation der Natur mit der technisierten Welt der Menschen, um Umweltzerstörung und die Frage, ob Mensch und Natur koexistieren können. So wie in „Prinzessin Mononoke“, in dem die Wesen der Natur den Menschen, die einen heiligen Urwald abholzen wollen, erbitterten Widerstand leisten. Miyazakis Heldinnen bedienen stets die gesamte Bandbreite menschlicher Persönlichkeit. Ein simples Gut-Böse-Schema meidet er.

Eine politische Kontroverse in seiner Heimat hat der friedliebende Miyazaki 2013 mit seinem Film „Wie der Wind sich hebt“ ausgelöst. Damit wollte er das „außergewöhnliche Genie“ von Jiro Horikoshi, dem Entwickler des einst gefürchteten Jagdflugzeugs Zero aus dem Zweiten Weltkrieg, ehren. Die Ultrarechten hätten den Zero für ihren „Patriotismus“ und zur Kompensierung ihres „Minderwertigkeitskomplexes“ missbraucht, sagte Miyazaki. Mit seinem Film wolle er Horikoshi aus den Händen dieser Leute reißen.

Das Werk erschien während politischer Spannungen in Asien. Japans damaliger rechtskonservativer Ministerpräsident Shinzo Abe strebte eine Revision der pazifistischen Nachkriegsverfassung an, um Japans Militär zu stärken.

In Japans „beschämender Geschichte“ des Zweiten Weltkriegs sei das Flugzeug Zero „eines der wenigen Dinge, auf die wir Japaner stolz sein können“, sagte Miyazaki damals in einem Interview. Japans Ultrarechte zogen mit Hasstiraden über den Film her. Miyazaki sei „anti-japanisch“ und ein „Verräter“, schrieben sie auf einschlägigen Internetseiten.

Sein neuestes – und möglicherweise letztes – großes Werk soll dem Vernehmen nach ein „Action-Adventure-Fantasy“-Film werden. Miyazaki, der mit einer Animatorin verheiratet ist und zwei Söhne hat, schaffe ihn vor allem für seinen Enkel, ließ sein Weggefährte Suzuki wissen. Es sei seine Art zu sagen: „Opa zieht bald in die nächste Welt, aber er lässt diesen Film zurück, weil er dich liebt.“ Lars Nicolaysen

Zurück aus dem Ruhestand: der 80-jährige Hayao Miyazaki. Foto: Chris Pizzello/Invision/AP/dpa

Zurück aus dem Ruhestand: der 80-jährige Hayao Miyazaki. Foto: Chris Pizzello/Invision/AP/dpa