Der Kuaför aus der Keupstraße

Der Kuaför aus der Keupstraße

Der Dokumentarfilm beleuchtet die Hintergründe des NSU-Anschlags in einer türkischen Einkaufsstraße in Köln.

22.02.2015

Von CHRISTOPH DRIESSEN, dpa

2004 ließ die Terrorzelle NSU vor einem Friseursalon in Köln eine Bombe hochgehen. Eine Doku zeigt, wie der Friseur zu Unrecht verdächtigt wurde.

Die erste Frage, die Özcan Yildirim von der Polizei gestellt wurde, nachdem 2004 vor seinem Friseursalon eine Nagelbombe explodiert war, lautete: „Sind Sie versichert?“ Die Polizei hielt es für möglich, dass er selbst hinter dem Anschlag stecken könnte – eventuell, um die Versicherungsprämie zu kassieren. Erst sieben Jahre später wurde deutlich, dass der Nationalsozialistische Untergrund NSU für die Tat verantwortlich war. Von Yildirims Martyrium erzählt jetzt der Film „Der Kuaför aus der Keupstraße“.

Grundlage der Dokumentation sind die Vernehmungsprotokolle der Polizei, die jahrelang davon ausging, es mit einer Abrechnung im kriminellen türkischen Milieu zu tun zu haben. In Richtung Rechtsextremismus wurde nicht ermittelt, obwohl Yildirim und viele andere Händler aus der türkisch geprägten Keupstraße in Köln-Mülheim von Anfang an davon überzeugt waren.

In seinen Mitteln ist der Film sehr zurückgenommen. Schauspieler sprechen die Vernehmungen nach, aber es wird nie der Eindruck einer Spielfilmszene erweckt. „Wir wollten eine Distanz, eine Abstraktion schaffen“, erzählt der Regisseur Andreas Maus. Die Protokolle sprechen für sich selbst und erscheinen für sich genommen wie eine zeitgemäße Version von Franz Kafkas „Prozess“. In erschütternder Weise zeigt sich hier, wie die Behörden einem Unschuldigen auch in einem Rechtsstaat zusetzen können.

Die Polizei schreckte nicht davor zurück, Yildirim zu beschatten und verdeckte Ermittler auf ihn anzusetzen. Noch zwei Jahre nach dem Anschlag wurde er sieben Stunden lang verhört. Das Schlimmste für ihn war jedoch, dass er nun auch in der Keupstraße selbst misstrauisch beargwöhnt wurde. „Alle haben mit dem Finger auf uns gezeigt.“ Der damalige Kölner Polizeipräsident Klaus Steffenhagen erklärte sich zwar bereit, in dem Film aufzutreten, doch nur um zu versichern, er habe die Ermittlungen nicht verfolgt und könne darum auch nichts dazu sagen: „Dafür fehlt mir einfach jede Kenntnis.“