Ein Film wie Wuppertal: Bedächtig, introvertiert, immer in der Schwebe.

Der Krieger und die Kaiserin

Ein Film wie Wuppertal: Bedächtig, introvertiert, immer in der Schwebe.

24.11.2015

Von che

Der Krieger und die Kaiserin

Der Regisseur Tom Tykwer hat ein feines Gespür für Schauplätze. Gewiss war Berlin der ideale Ort für die Rasanz und den oberflächlichen Glanz seines letzten Films "Lola rennt". Und ebenso sicher ist Wuppertal, die Heimat Johannes Raus und eines kuriosen Verkehrsmittels, der richtige Hintergrund für diesen fast unverschämt gemächlichen Film über emotionale Schwebezustände, schicksalhafte Fügungen und magische Kräfte.

Es geht um zwei Menschen, die sich in einer Art freiwilliger emotionaler Isolationshaft gegen die feindliche Welt abgeschottet haben. Sissi (Franka Potente) ist Pflegerin in einem psychiatrischen Krankenhaus, wo sie sich sanftmütig um die (auch sexuellen) Bedürfnisse der Insassen kümmert. In diesem hermetisch abgeschlossenen Universum ist Sissi tatsächlich eine Kaiserin - während sie draußen in der Welt, wo sie in altjungferlicher Tracht und wie in Trance durch die Großstadt wandelt, ihren Psychiatrie-Patienten verdammt ähnlich ist.

Ihr Bruder im Geiste ist Bodo (Benno Fürmann), ein arbeitsloser Ex-Soldat, der seit dem Selbstmord seiner Frau von Schuldgefühlen geplagt wird. Um ihn aus seiner versteinerten Gefühlswelt zu befreien, fädelt sein Bruder einen Bankraub ein, mit dessen Beute sie ans andere Ende der Welt abhauen wollen.

Früh im Film kreuzen sich die Wege der beiden Durchgeknallten, doch bis zum Glück ist es noch lange hin. Immer wieder scheint die Sensucht nach Liebe vor der Angst zu erstarren, die Sicherheit im emotionalen Bunker preiszugeben. Und solange Tykwer die Beziehung in der Schwebe hält, solange er vom unendlich mühsamen Knacken der Körper- und Seelenpanzer berichtet, ist "Der Krieger und die Kaiserin" ein großartiger Film. Ganz dicht rückt Tykwers Kamera seinen gebrochenen Helden auf die Pelle, als wolle er in ihren Hautporen nach jenem Geheimnis suchen, das diese Menschen am Leben leiden lässt.

Später verliert der Film deutlich an Format, flaut ab zu einer konventionellen, aber immerhin noch recht spannend erzählten amour fou unter Fahndungsdruck. Die letzten zehn Minuten voller Brachialsymbolik hätte Tykwer im Interesse seiner Reputation als Künstler besser ersatzlos gestrichen. Aber immerhin: Eineinhalb Stunden lang ist "Der Krieger und die Kaiserin" eine gescheite Reflexion über Entrücktsein und Liebe, die in der deutschen Filmgeschichte ihresgleichen sucht.