Uli Keuler · Damit der Witz nicht zum Rätsel wird

Der Kleinkunst-Ehrenpreis geht an: Uli Keuler aus Mähringen · Der Kabarettist im TAGBLATT-Gespräch

Seit 1973 macht Uli Keuler das, was er heute macht: Er stellt sich auf die Bühne und bringt das Publikum mit menschelnden Alltagsgeschichten zum Lachen. Ausschließlich auf schwäbisch. Die Schwaben-Seele indes interessiert ihn nicht, wie er sagt. Das Land hat den 64-Jährigen dafür Ende April mit dem Kleinkunst-Ehrenpreis ausgezeichnet.

13.05.2017

Von Christine Laudenbach

10.05.2017 Uli Keulers Lieblingswitz
© Bleeser 01:09 min
Der Kabarettist Ili Keuler war Gast in der Redaktion. Worüber der professionelle Witzeerzähler lacht, sehen Sie hier.

Herr Keuler, riecht so ein Ehrenpreis nicht immer auch ein bisschen nach: Der oder die verabschiedet sich sicher bald aufs Altenteil?

Da ist ja auch was dran. Ab Mitte kommenden Jahres werde ich in Rente gehen. Ich kündige aber jetzt nicht meinen Abschied von der Bühne an, das nicht. Noch mach’ ich weiter. So lange ich das Gefühl habe, es macht Spaß.

Wird es eine Abschieds-Tour geben?

Ich werde bestimmt nicht mit riesen Tam-Tam gehen – obwohl man dabei sicher mehr verdient, als wenn man es vor sich hindümpeln und leise auslaufen lässt. Ich habe schon vor Jahren angefangen, zu reduzieren. Zu Spitzenzeiten hatte ich bis zu 130 Auftritte im Jahr. Heute noch um die 30. Das Spielen strengt mich nicht so sehr an, aber das Schreiben der Nummern.

Sie schreiben alles selbst?

Ja. Früher fielen mir die Themen spontan ein. Heute muss ich länger darüber nachdenken. Aber die Pointen habe ich schon immer am Schreibtisch entwickelt. Und zwar regelmäßig zu bestimmten Zeiten. Meistens vormittags. Das Ergebnis probiere ich dann auf der Bühne.

Kein doppelter Boden?

Nein. Das ist mein Erfolgsrezept, das Publikum ist der Regisseur. Früher habe ich die Geschichten manchmal vorab einem Freund geschickt. Der sagte dann meistens: ‚Probier’s halt.‘

Und wenn es floppt?

Nach drei Versuchen nehm ich die Nummer dann wieder aus dem Programm.

Woher stammen die Ideen?

Es sind erlebte, aufgeschnappte Alltagsgeschichten, die vielen passiert sein könnten. Meist geht es um Engstirnigkeit und Egoismus. Ich erlebe immer wieder, dass Leute im Publikum nach einer Pointe mit dem Finger auf ihren Nachbarn zeigen und sagen: ,Ha, wie du!‘

Müssen Ihre Nachbarn Angst haben, sich auf der Bühne wiederzufinden? Natürlich gibt es Leute, die ich im Auge habe. Und Kotzbrocken, die es verdient haben. Aber meine Nachbarn müssen natürlich keine Angst haben.

Sie kamen zum Studium nach Tübingen, haben ’92 bei Walter Jens promoviert. Seit wann leben Sie in Mähringen?

Auf den Härten wohne ich schon sehr lange. In Mähringen etwa seit 1989. Davor in Wankheim.

Wie kam’s zur Bühnen-Laufbahn?

Da stolpert man rein. Erst habe ich gezaubert, dann Lieder gesungen. Ich konnte allerdings nur fünf Griffe auf der Gitarre…

Ihre Texte schreiben Sie fast ausschließlich auf schwäbisch.

Ja. Als vor vielen Jahren in Berlin nach einer hochdeutschen Nummer eisern geschwiegen wurde, hab ich in meiner Verzweiflung auf einen Mundart-Text zurückgegriffen und gemerkt: Das ist gar nicht so schlecht. Die Leute haben gelacht.

Das Schwäbische ist also keine Spaßbremse, sondern Kernthema?

Die Liedermacher der 1970er- und 80er-Jahre hätten gesagt: Es ist ein Vehikel, das die Botschaft transportiert (lacht). Die Schwaben-Seele interessiert mich überhaupt nicht, weil ich nicht an sie glaube. Es sind menschliche Schwächen, die ich zeige, keine schwäbischen. Sie werden von mir nie einen Kehrwochen-Witz hören.

Schränkt die Mundart Ihren Radius nicht ein?

In den 70ern bin ich bis nach Wilhelmshaven gekommen. Zum Teil kam das Programm sogar ganz gut an. Das Schwäbische hat jedoch mit zwei Problemen zu kämpfen: Zum einen ist da das Image des etwas Dümmlichen, zum anderen der Dialekt, mit all seinen Feinheiten. Wenn der Witz zum Rätsel wird, macht es keinen Spaß.

„Sie werden von mir nie einen Kehrwochen-Witz hören“, sagt Uli Keuler. Bild: Metz

„Sie werden von mir nie einen Kehrwochen-Witz hören“, sagt Uli Keuler. Bild: Metz

Kommen Sie nach all den Jahren in der Region immer noch an?

In den 80er- und 90er-Jahren hat man drei Plakate gehängt, und der Laden war voll. Die Turnhalle auf der Alb und das Theater in der Stadt. In den dichtbesiedelten Gebieten läuft es heute immer noch gut, obwohl ich immer noch fast keine Werbung mache. Und der Melchinger Lindenhof ist noch jedes Mal voll gewesen. Da mache ich mir keine Sorgen.

Im Publikum sitzen mittlerweile viele graue Häupter.

Anfangs habe ich viel in Jugendzentren gespielt, gelegentlich auch in Schulen. Überwiegend für Jüngere. Heute sitzen hauptsächlich Ältere in den Reihen, die paar Schüler darin fallen auf. Mein Publikum ist quasi mit mir alt geworden. Aber: Das ist etwas, was mich gar nicht grämt.

Wie oft tauschen Sie ihr Programm aus?

Darin war ich immer extrem langsam. Früher etwa alle vier bis fünf Jahre. Heute füge ich neue Nummern noch spärlicher ein.

Gibt es „die Geli“ noch?

Diesen Sketch spiele ich seit 1996 nicht mehr.

Warum verzichten Sie auf die Beziehungskiste des pseudo-emanzipierten Typen, der sich über die Alltagsprobleme mit seiner Freundin auslässt?

Ich bin zu alt für die Figur. Als ich sie ins Programm nahm, war ich Anfang 30. Jetzt bin ich Mitte 60. Außerdem passt der Typ Mann, um den es geht, nicht mehr in diese Zeit. Egozentrische Frauenversteher gibt es natürlich auch heute noch, aber sie kommen in anderer Verkleidung daher. Außerdem kannten die Leute den Sketch irgendwann auch einfach zu gut.

Und den Rausschmeißer, den „Ma im Wald?“

Den gibt es noch. Sonst gehen die Leute ja nicht.

Den Witz erzählen Sie seit 1983 am Ende jeden Auftritts, und zwar sieben Mal. Hängt er ihnen nicht zum Hals raus?

Sie werden ihn von mir nur auf der Bühne hören.

Auf der Bühne bleibt neben Ihnen nur Platz für einen Stuhl.

Ich würde auch auf den Stuhl verzichten, aber manches geht im Sitzen besser.

Weshalb keine Sound- und Lichteffekte, wie andere Ihres Fachs?

Eher würde ich aufhören. Ein Blinder im Publikum kann bei mir jeden Witz verstehen, wie alle anderen auch.

Wie definieren Sie sich im Vergleich zu Comedians, etwa Mario Barth?

Ich hoffe, dass ich mit ihm nicht verglichen werde. Ich mache keine Stand-up-Comedy, kein politisches Kabarett. Ich mach’ halt mein Ding. Spaßmacher, die ständig nur fidel sind, bringen nichts zustande. Es muss einen schon auch etwas stören, um Witze zu machen.

Haben es Frauen schwerer in Ihrem Beruf?

Das kann ich nicht beurteilen. Ich bin ja keine. Wenn eine etwas kann, setzt sie sich durch. Unter den Comedians gibt es weniger Frauen als Männer, früher fast gar keine. Da fällt mir nur Gisela Schlüter ein, oder die Liesl Karlstadt. Aber das heißt nicht, dass Frauen weniger können. Die Missfits zum Beispiel finde ich absolut lustig.

Müssen Frauen andere Witze machen, als Männer? Weniger derbe etwa?

Wegen mir nicht. Ob der Witz gut oder schlecht ist, hängt sicher vom Witz ab. Wie durchdacht er ist.

Worüber können Sie lachen?

Mir gefällt absurder Humor. Die Monty Pythons sind meine absoluten Lieblinge. Wenn zum Beispiel ein Sprecher die Nachrichten liest und neben ihm ein Schaf von der Decke fällt. Wenn irgendeine Ordnung aufgebrochen wird, finde ich das komisch.

Was geben Sie denn als Berufsbezeichnung an?

Wenn mich die Leute kennen, sage ich Komiker. Ansonsten: Kabarettist.

Wird von Ihnen erwartet, dass Sie auch privat den Lustigen geben? Auf Festen ständig Witze erzählen?

Es wird erwartet, besonders von Menschen, die mich nicht gut kennen. Das ist der Grund, weshalb ich selten auf Feste gehe. Ich bin nicht sehr gesellig und gehe meist nur zu Leuten, die ich gut kenne.

Was haben Sie mit dem Preisgeld von 5000 Euro vor?

Weiß ich noch nicht. Nichts besonderes. Neulich war ich mit einer Freundin Essen. Aber ich glaube, da haben wir etwas anderes gefeiert.

In Gesellschaft von Grachmusikoff und Maren Kroymann

Der Kleinkunstpreis Baden-Württemberg ist der einzige Landespreis für Kleinkunst in Deutschland. Zu den Gewinnern des erstmals 1986 vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport ausgelobten Preises zählen etwa die Füenf, Eure Mütter, Martina Brandl, Topas und Bernd Kohlhepp. Den mit 5000 Euro dotierten Ehrenpreis erhielten bisher die Kabarettisten Thomas Freitag, Georg Schramm, Mathias Richling, Grachmusikoff, Matthias Deutschmann, Maren Kroymann und zuletzt posthum der Liedermacher Christof Stählin. Insgesamt ging die Auszeichnung bisher an 141 Preisträger aller Kleinkunstgenres.

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Erstellt:
13.05.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 52sec
zuletzt aktualisiert: 13.05.2017, 01:00 Uhr

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