Der Hauptmann

Der Hauptmann

Ende des Zweiten Weltkrieges schlüpft ein Soldat durch einen Zufall in die Rolle eines Hauptmanns und verfällt den Versuchungen der Macht.

14.03.2018

Von Madeleine Wegner

Der Hauptmann
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Es sind die letzten Wochen des Krieges. April 1945, irgendwo im Emsland. Ein Mann rennt um sein Leben. Er verkriecht sich im Dreck, um zu entkommen. Wenig später stolziert er in Uniform am Straßenrand entlang und übt sich im autoritären Auftreten. Als „Hauptmann“ wird er in diesen letzten Kriegswochen unzählige Menschen töten. Robert Schwentkes Film erzählt die wahre Geschichte vom Massenmörder und „Henker vom Emsland“ Willi Herold, der zufällig am Straßenrand eine Uniform fand und als Hochstapler ein Gefangenenlager übernahm.

Willi Herold ist im Grunde einer von vielen. Der Kampf ums Überleben ist allgegenwärtig und die Todesangst scheint sich längst in das Leben aller gekrallt zu haben. Als Deserteur findet Herold (Max Hubacher) zufällig in einem liegengebliebenen Wagen die Uniform eines Hauptmanns. Er zieht sie an und schlüpft mit ihr in eine neue Rolle – erfolgreich, wie er schnell merkt: „Bitte gehorsamst, mich Herrn Hauptmann unterstellen zu dürfen“, spricht ihn der Soldat Freytag (Milan Peschel) wenig später an. Schon hier zeigt der Film, dass es für solche Machtkonstruktionen zwei Seiten braucht.

Immer mehr Soldaten sammelt Herold um sich. Er gibt an, sich von der miserablen „Lage hinter der Front“ ein Bild machen zu wollen. So kommt er in ein Lager, in dem vor allem Deserteure und politische Häftlinge gefangen gehalten werden. Mit vermeintlicher „Vollmacht von ganz oben“, von Hitler selbst, übernimmt Herold die Leitung des Lagers. Auch dies ist nur möglich, weil es hier Wehrmachts-Männer gibt, die sich nach Hierarchie sehnen, und danach, dass hier endlich jemand für „Ordnung sorgt“.

Der Vertreter der Justizbehörde schließt derweil recht schnell die Gardinen seiner Baracke und damit auch die Augen, wenn sich die Gefangenen ihr eigenes Grab, eine Grube, schaufeln müssen. So steigert sich Herold, der auch im wörtlichen Sinne über Leichen geht, in einen Rausch aus Macht und Sadismus, in einen blutigen und brutalen Exzess, der mehr als 170 Menschen das Leben kostet. Die Grausamkeit dieser Gewaltexzesse zeigt der Film teilweise durchaus explizit in nüchternen schwarz-weißen Bildern. Außergewöhnlich ist auch der Soundtrack des Films (Martin Todsharow), der mit seinem Industrial-Sound die dumpfe, bedrohliche Riesen-Maschinerie verdeutlicht, eine monströse Fabrik. Wie leicht diese Zahnräder noch heute in Bewegung geraten, zeigt Schwentke im Abspann.

Bemerkenswerte Studie über die Mechanismen von Macht . Kommt leider nicht ohne pädagogischen Zeigefinger aus.

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Erstellt:
14.03.2018, 00:01 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 14sec
zuletzt aktualisiert: 14.03.2018, 00:01 Uhr

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