Tübingen · Biologie

Den Pflanzen beim Wachsen zugucken

Neuer Sensor macht die Verteilung des Steuerungshormons Auxin sichtbar.

10.04.2021

Von ST

Die Lupe vergrößert hier die Wurzelspitze eines Ackerschmalwand-Keimlings: Die Zellkerne sind mit zunehmender Auxin-Menge von blau über grün und gelb bis rot gefärbt.Bild: MPI

Die Lupe vergrößert hier die Wurzelspitze eines Ackerschmalwand-Keimlings: Die Zellkerne sind mit zunehmender Auxin-Menge von blau über grün und gelb bis rot gefärbt.Bild: MPI

Wissenschaftler/innen am Tübinger Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie und an der Universität Bayreuth haben einen neuartigen Sensor entwickelt, mit dem die Verteilung des wachstumsregulierenden Hormons Auxin in den Zellen lebender Pflanzen in Echtzeit sichtbar gemacht wird. Dadurch lässt sich darstellen, wie, in welcher Zeit und unter welchen Bedingungen sich das Hormon in einer Pflanze verteilt. Für die Forschung sind das sehr wichtige Erkenntnisse, die deshalb auch in der renommierten Zeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde.

Das schon vor 100 Jahren entdeckte Auxin spielt eine zentrale Rolle im Leben der Pflanzen. Das Hormon reguliert unzählige Prozesse in ihren Zellen, angefangen bei der Entwicklung des Embryos im Samen über die Ausbildung des Wurzelgeflechts bis hin zu gerichtetem Wachstum als standortspezifische Reaktion auf Licht und Schwerkraft.

In den Zellkernen dockt Auxin an bestimmte Rezeptoren an, was wiederum zahlreiche Signale auslöst, mit deren Hilfe die Pflanze auf äußere Reize wie etwa die Sonneneinstrahlung reagiert. So sind die Auxine beispielsweise mitverantwortlich dafür, dass eine Pflanze, die in den Schatten einer anderen Pflanze gerät, umgehend lange Triebe ausbildet, um mehr Sonnenlicht zu kommen.

Wichtig ist dabei die reizabhängige Umverteilung von Auxin innerhalb des Gewebes, wodurch es in bestimmten Zellen konzentriert wird und dort die Reaktion auslöst. Bislang war es nicht möglich, Auxin im Zusammenhang dieser Prozesse direkt zu beobachten. Es wurde bisher immer nur aus der Wirkung, die man messen konnte, auf das generelle Vorhandensein von Auxin geschlossen.

Durch die Verwendung eines neuartigen Biosensors kann jedoch nun Auxin in den einzelnen Zellen einer Pflanze direkt sichtbar gemacht werden. Damit wurde zum ersten Mal die schnelle und dynamische Umverteilung von Auxin, zum Beispiel bei der Änderung des gerichteten Wurzelwachstums, bildlich dargestellt. Mit Hilfe eines komplizierten Verfahrens brachten die Wissenschaftler die Pflanzen dazu, ein Protein zu bilden, das bei Vorhandensein von Auxin fluoresziert und beobachtet werden kann.

Schon jetzt haben die Forscher mit Hilfe der neuen Möglichkeit einige überraschende Entdeckungen gemacht: So fanden sie heraus, dass Auxin von den Zellen unerwartet schnell aufgenommen wird. Erstaunlich war auch, wie schnell Auxin nach Drehung der Pflanze im Gewebe umverteilt wird. Schon nach einer Minute sammelte sich Auxin auf der neuen Unterseite der Wurzelspitze, und nach der Rückdrehung war die alte Verteilung von Auxin ebenfalls schon nach einer Minute wiederhergestellt. „Das hat uns völlig verblüfft“, kommentierten die Mitautoren der Studie, Ole Herud-Sikimic und Martina Kolb. Diese schnelle und reversible Reaktion war nicht erwartet worden. Man konnte sie bislang auch gar nicht messen.

Prof. Gerd Jürgens vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie sieht deshalb viele Anwendungsmöglichkeiten für das neue Verfahren: „Wir haben gezeigt, dass sich Auxin im Gewebe in Echtzeit darstellen lässt, auch in subzellulären Bereichen, wo das bislang für unmöglich gehalten wurde. Jetzt geht es darum, die Anwendungsmöglichkeiten durch optimierte Expressionssysteme und Verwendung fluoreszierender Proteine mit anderen Eigenschaften zu verbessern. Wir stellen das Material der Community dafür nun zur Verfügung.“

Die Wachstumshormone der Pflanzen

Die Auxine sind in der Fachsprache aufgrund ihrer Wirkung auch unter dem Namen Streckungshormone bekannt. Sie haben aber eine sehr vielfältige Wirkung auf Wachstums- und Differenzierungsprozesse bei Gefäßpflanzen. In Pflanzen sind sie essentiell. Ihre Rolle als Pflanzenhormone entdeckte in den 1920er Jahren der niederländische Botaniker Frits Warmolt Went.

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Erstellt:
10.04.2021, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 10.04.2021, 01:00 Uhr

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