Konzert

Mehr Schmalz für alle

Ilja Martin von den 3 jungen Tenören über Peinlichkeiten, Tränen, das Leben als Fest – und entsprechende Musik.

04.12.2018

Von Interview: Katharina Löffler

Am Freitag, 14. Dezember, tritt Ilja Martin mit den „3 jungen Tenören“ in Tübingen auf. Vorher sprach er mit dem SCHWÄBISCHEN TAGBLATT – und erklärte, warum Gefühlsduselei eine gute Sache ist.

Herr Martin, am Sonntag ist der erste Advent. Wie steht es um Ihre Gemütslage – sind Sie schon angemessen besinnlich oder total gestresst?

Gestresst nicht. Aber die Zeit vom Hochsommer bis Weihnachten schien mir dieses Jahr ziemlich kurz. Deshalb finde ich es ein wenig komisch, dass tatsächlich schon der Advent beginnt.

Die Musik der „3 jungen Tenöre“ ist doch bestimmt für viele ein Trigger, um sich in beseelte Vorweihnachtsstimmung zu bringen.

Das höre ich immer wieder, dass die Leute sagen: „Ah, Weihnachtszeit. Jetzt nehme ich mal wieder die CD von Euch, um ein bisschen runterzukommen.“

Gibt es auch Situationen, in denen Ihre Musik ganz und gar nicht passt?

Kann ich mir nicht vorstellen. Wir machen Musik aus allen Genres. Von der reinen Klassik über Operetten und Schlagersachen bis hin zu meinem Elvis-Medley, bei dem ich wild herumspringe.

Um die ganz großen Gefühle wie Liebe geht es in Ihren Liedern aber schon recht häufig. Wo verläuft Ihre persönliche Schmalzgrenze?

Ich bin sehr schmalzig. Da habe ich keine Grenze. Ich bin auch nah am Wasser gebaut. Es gibt kaum einen Film, der mich nicht zu Tränen rührt. Wenn ich meinen Kindern vorlese und an eine traurige Stelle komme, kuscheln die sich gleich an mich ran, weil sie wissen: Okay, jetzt wird Papi wieder sentimental.

Manche Menschen reagieren auf Schmalz eher naserümpfend. Wäre die Welt eine bessere, wenn alle ein wenig mehr Sinn dafür hätten?

Davon bin ich fest überzeugt! Die Menschheit insgesamt hat Probleme, zu ihren Gefühlen zu stehen. Bei Dingen, die von Herzen kommen, sollten wir etwas weniger darüber nachdenken, ob das nun peinlich ist oder nicht. Wenn ich etwa alte Klassiker wie die „Capri-Fischer“ anmoderiere, sagen die Leute erst „Och nee“. Und wenn wir dann mit voller Inbrunst singen, klatschen sie mit oder verdrücken sogar ein Tränchen. Wobei das vielleicht typisch für uns Deutsche ist: erstmal ein bisschen reserviert sein.

Gehört es zum guten Ton, sich vom Trivialen gut hörbar abzugrenzen, auch wenn man insgeheim total drauf steht?

Klar! Liegt mir aber gar nicht. Das Leben ist ein Fest und wir sollten alle viel weniger steif sein. Ich habe schon erlebt, dass Leute mit dem Rollator zu unseren Konzerten kamen und bei meinem Elvis-Medley anfingen zu tanzen.

09.11.2018 Die 3 Jungen Tenöre - Cara Mia
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© Video: Röttinger / Die 3 Jungen Tenöre
Das Schwäbische Tagblatt bringt die 3 Jungen Tenöre ins Tübinger Sparkassen Carré

Sie haben Gesang studiert. „Die 3 jungen Tenöre“ verschmelzen Klassik mit Populärmusik. Wie sehr nervt sie die Unterscheidung von der vermeintlich bildungsbürgerlich wertvollen Hochkultur der Opernhäuser und angeblich abgeschmacktem Mainstream?

Mein seliger Vati hat gesagt: „Es gibt nur gute oder schlechte Musik.“ Ich bin bewusst in dieses Crossover-Genre gewechselt. Ich singe auch an Opern, ich liebe Oper. Aber man hat dort immer das Gefühl, es sitzen Leute im Saal, die gerne etwas finden wollen, das sie kritisieren können.

Sie sind Freiberufler. Können Sie sich in diesem Glitzerfunkenkünstlerdasein überhaupt zurücklehnen oder haben Sie ein latentes Unsicherheitsgefühl?

Letztes Jahr hat ein Veranstalter kurzfristig eine Tournee abgesagt. Da fehlen dann eben 20 000 Euro, mit denen man fest gerechnet hat. Aber ich mache das schon mein Leben lang. Als ich 19 war, ist mein Papa gestorben. Ab da war ich auf mich selbst gestellt. Ich konnte aber schon während des Studiums für Geld singen und musste nie an der Kasse sitzen. Wenn das 20 Jahre gut läuft, stellt sich eine gewisse Ruhe ein. Mein Haus ist abbezahlt.

Laut Ankündigung bringen Sie nach Tübingen auch „neue, rockige Stücke“ mit. Zum Beispiel?

Eine rockige Fassung des berühmten Tenöre-Songs „Granada“ etwa. Den haben wir mit E-Gitarren-Solo und ordentlich Schlagzeug neu arrangiert. Oder eine von „Cara Mia“. Wir wildern in allen Genres, weil mir das so Spaß macht.

Heino hat jüngst auch gewildert und Nummern der „Ärzte“ und von „Rammstein“ gecovert. Deren Fans reagierten mäßig verzückt. Wie weit reicht künstlerische Freiheit?

Wer sich diese Heino-Nummer ausgedacht hat, dem würde ich den Marketing-Preis des Jahrzehnts verleihen. Seine klassisch-konservativen Anhänger hat das vielleicht genervt. Aber dadurch hat sich Heino auch nochmal eine ganz neue Fan-Basis erarbeitet. Ich fand das großartig.

Gibt es musikalisch keine heilige Kuh, an die Sie sich nicht herantrauen?

Ich würde mich an alles trauen. Ich mache, worauf ich Lust habe. Wir haben mal für ein Basketballspiel „TNT“ von „AC/DC“ umgetextet und in der Pause live vor 6000 Leuten gesungen. Eine Riesenfreude!

Sie stehen immer schmuck im Anzug auf der Bühne. Wie wichtig ist Aussehen?

In der Oper war es lange nicht so wichtig – wenn man sah, wie mollig manche Sänger daherkamen. Mittlerweile isst das Auge auch dort ein bisschen mit, aktuelle Stars wie Jonas Kaufmann sind ja ganz smarte Typen. Ich gebe zu: Ich bin eitel. Ich pflege mich, spiele Tennis, nehme schöne Cremes. Wir haben viele weibliche Fans. Da ist es nicht schlecht, wenn man gut aussieht.

Aha. Ihre Musik ist also Frauenmusik.

Meist hat man das Gefühl, die Männer müssen mit zu unseren Konzerten. Und am Ende sind sie es, die die CDs kaufen.

Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?

Mehr Frieden und Liebe auf der Welt.

Und bei welchem Geschenk verlassen Sie sofort den Raum?

Einer Strickweste.

Drei mit Trompeter

Seit 2006 ist Ilja Martin Teil der Klassik-Pop-Formation „Die 3 jungen Tenöre“. Mit seinen Band-Kollegen Carlos Sanchez und Matthias Eger sowie Trompeter Kevin Pabst tritt er am Freitag, 14. Dezember, um 20 Uhr im Sparkassen-Carré auf. Das SCHWÄBISCHE TAGBLATT präsentiert das Konzert. Karten gibt es für 39 Euro bei den Geschäftsstellen sowie bei der Kreissparkasse (Kreissparkassen-Kunden und TAGBLATT-Card-Inhaber bekommen sie für 35 Euro).

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Erstellt:
04.12.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 57sec
zuletzt aktualisiert: 04.12.2018, 01:00 Uhr

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