Corona

Delta, Booster, PCR – und die Impfung für Kinder

Wie die Politik eine neue Phase im Kampf gegen das Virus einläutet – und welche Auswirkungen das für den Einzelnen in Deutschland hat.

03.08.2021

Von HAJO ZENKER

Die dritte Dosis naht: Delta sorgt für eine nachlassende Impfwirkung. Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Die dritte Dosis naht: Delta sorgt für eine nachlassende Impfwirkung. Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Berlin. Dritte Impfdosis, Vakzin für Kinder, wieder mehr PCR-Tests – angesichts der Delta-Variante und der drohenden vierten Welle ist noch einmal Bewegung in die Pandemiebekämpfung gekommen.

Woher kommt der Ruf nach einer dritten Impfung? In Israel, wo man sehr früh und sehr schnell geimpft hat, verhindert nach Regierungszahlen eine Impfung aus zwei Dosen wegen der Delta-Variante eine Corona-Infektion nur noch zu 39 Prozent und schwere Erkrankungen noch zu 91 Prozent. Die über 60-Jährigen seien sogar nur noch zu 81 Prozent gegen Krankenhausaufenthalte geschützt – Anfang des Jahres war noch von 99 Prozent die Rede gewesen. Das Unternehmen Biontech und der US-Partner Pfizer, deren Vakzin in Israel fast ausschließlich verwendet wurde, berichten, dass die generelle Schutzwirkung sechs Monate nach der Zweitimpfung von 96 auf 84 Prozent sinke. Eine dritte Dosis, auch Auffrischungs- oder Boosterimpfung genannt, sei angebracht. Israel hat bereits mit der Gabe einer dritten Dosis für über 60-Jährige begonnen, deren Impfschutz seit mehr als fünf Monaten besteht. Auch die Uni Oxford und Astrazeneca haben mitgeteilt, dass eine dritte Dosis Astrazeneca für eine deutlich stärkere Immunantwort sorgt. Für Deutschland spielt das aber keine Rolle: Hier sind ausschließlich Biontech und Moderna für den Booster vorgesehen.

Wer soll die dritte Dosis bekommen? Von September an soll sie zunächst Pflegebedürftigen und Immungeschwächten angeboten werden. Für die allermeisten zweimal Geimpften gilt weiterhin, dass sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vor einer schweren Erkrankung geschützt sind. Impfstoffhersteller arbeiten an speziellen Delta-Vakzinen, wann die einsatzbereit sein könnten, lässt sich aber noch nicht abschätzen. Ansteckungen bei vollständig Geimpften waren bisher selten, aktuell aber liegen die Zahlen durch Delta je nach Land bei 15 bis 20 Prozent der symptomatischen Neuinfektionen. Das ist bemerkenswert, weil das Robert-Koch-Institut (RKI) seit Februar bei inzwischen 43,5 Millionen vollständig Geimpften bisher nur gut 7200 Impfdurchbrüche registriert hat – also gerade 0,2 Prozent. 760 davon mussten ins Krankenhaus – zumeist Ältere.

Ist Delta gefährlicher? Delta ist viel ansteckender, durchbricht eher den Impfschutz und kann schwerere Erkrankungen verursachen als alle anderen bekannten Versionen des Virus, lautet die Zusammenfassung der US-Behörde für Krankheitskontrolle und Prävention. Delta sei übertragbarer als die Viren, die Mers, Ebola, saisonale Grippe oder Pocken verbreiten, und so ansteckend wie Windpocken.

Weshalb sollen Kinder geimpft werden? Politiker hoffen, dadurch die Impfquote in der Bevölkerung zu erhöhen. Dass Kinder schwer an Corona erkranken, ist dagegen selten. In England und Schottland ist die Zahl der infizierten Kinder jüngsten Studien zufolge durch Delta zwar gestiegen, Klinikbehandlungen aber bleiben die Ausnahme. Für den SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sind die Risiken, die von Delta ausgehen, etwa durch Langzeitfolgen, trotzdem weit höher als die durch die Impfung. Eine kanadische Studie geht davon aus, dass sechs Prozent der infizierten Kinder Long Covid entwickeln. In den USA seien mehr als sechs Millionen Kinder geimpft, die Immunisierung, so Lauterbach, gut untersucht. Die Ständige Impfkommission dagegen hat erklärt, es gebe noch keine klare Datenlage. Laut Bundesgesundheitsministerium stehen genügend Dosen der genehmigten Vakzine von Biontech und Moderna zur Verfügung, dass jeder der 4,5 Millionen 12- bis 17-Jährigen, der das möchte, geimpft werden kann. 900?000 Kinder und Jugendliche seien bereits geimpft.

Warum soll der PCR-Test wieder eine größere Rolle spielen? Weil die Impfquote so schnell nicht die vom RKI erhofften 85 Prozent erreichen wird, kommen sichere Tests ins Spiel. Karl Lauterbach fordert, dass im Herbst PCR für Ungeimpfte eine viel größere Rolle spielen müsse. „Bei der Delta-Variante sind Schnelltests zu oft falsch negativ. PCR sind das nicht.“ Auch FDP-Chef Christian Lindner betont: „PCR-Tests sind zuverlässiger als Schnelltests.“ Zusammen mit Impffortschritten „wäre das eine gute Kombination“.

Was wird aus der Inzidenz? Um die wird gestritten. Während das RKI die Zahl der Neuinfektionen je 100?000 Einwohner als zentralen Indikator erhalten will, möchte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Bedeutung relativieren, andere Faktoren dazutun. Einen „Indikatorenmix“, um das Infektionsgeschehen einzuschätzen, fordert auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Neben der Inzidenz müssten die Klinikbelegung, die Belegung von Intensivkapazitäten, die Impfquote und die Positivrate an Tests berücksichtigt werden.

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Erstellt:
03.08.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 08sec
zuletzt aktualisiert: 03.08.2021, 06:00 Uhr

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